Ich, Heinrich VIII.
beseligten Nachmittag.
Neujahrstag 1533. Meine Füße schmerzten, weil ich den ganzen Tag in vollem Staat gestanden hatte, um in der neuen Großen Halle von Hampton Court die königlichen Gaben zu verteilen und zu empfangen. Der Himmel draußen war von merkwürdig flachem Weiß, während drinnen alles rot und golden und blau war – Feuer und Samt und Wein. Ich überreichte manches spektakuläre Geschenk – Cromwell hatte alles ausgesucht, denn ich hatte weder Interesse noch Zeit, mich damit zu beschäftigen –, und ich erhielt dafür zahlreiche nutzlose und schmeichlerische Aufmerksamkeiten.
Als ich mich in meine Gemächer zurückzog, war ich froh, das alles hinter mir zu haben. Ich rief nach Anne, und sie war einen Augenblick später da – so wenigstens kam es mir vor.
»Ein glückliches neues Jahr, meine Liebe.« Ich gab ihr mein Geschenk – noch ein Juwel. Ich rechnete damit, dass all die Edelsteine sie inzwischen langweilten, aber diesen hier, einen Saphir aus Jerusalem, nahm sie mit gedämpftem Entzücken entgegen.
»Ich habe ihn nicht in einen Ring oder eine Brosche fassen lassen«, erklärte ich. »Der Stein selbst wurde von einem Kreuzritter, der an der Seite Richard Löwenherz’ kämpfte, nach England gebracht. Seit mehr als dreihundert Jahren lag er in derselben Truhe, eingewickelt in die Umhüllung, in der er aus dem Heiligen Land kam. Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich sollte mir an dieser Umhüllung nicht zu schaffen machen.« Würde sie das verstehen?
Sie berührte das steife Tuch behutsam. »Nichts würde besser zu ihm passen.« Sie faltete es an den alten Knickstellen zusammen. »Er gehört hierher.« Sie schob ihn sorgfältig in den samtenen Beutel zurück.
In ihren Augen glänzte ein eigentümliches Licht, das ich noch nie gesehen hatte. »Und jetzt habe ich auch ein Geschenk für Euch an diesem Neujahrstag. Euer Juwel aus dem Heiligen Land soll ihm zum Segen gereichen – und ich werde es hüten wie einen Schatz immerdar.«
Sie stand vor mir, aber ihre Hände waren leer.
»Was ist es denn?«, fragte ich.
»Es ist … ich bekomme ein Kind.« Ihre Stimme war leise, und die vier Wörter, die mir mehr bedeuteten als alle Juwelen, die von allen Kreuzzügen zurückgebracht wurden, hingen in der Luft. Ich konnte nicht sprechen, so erfüllt war ich von Ekstase. Jawohl, Ekstase.
»Anne.«
»Im Spätsommer.«
Noch immer brachte ich nichts außer ihrem Namen hervor.
Es sollte alles geschehen; alles sollte Wirklichkeit werden.
Als ich in dieser Nacht im Bette lag, schwankte ich zwischen schwindelndem Frohlocken und öden praktischen Erwägungen – wie ein Mann, der die Pocken hat, zwischen Schwitzen und Frösteln pendelt. Anne bekam ein Kind, mein Kind, den Erben, den ich so lange ersehnt hatte …
Praktische Erwägungen: Bevor das Kind zur Welt käme, musste ich mit Anne verheiratet sein, und die Ehe musste allen juristischen Donnerkeilen widerstehen können, die man etwa gegen sie schleuderte. Und es wäre schön – nicht notwendig, aber schön –, wenn Anne zuvor offiziell gekrönt werden könnte. Zeremonien hatten an und in sich Gewicht, und eine Königskrönung würde viel dazu beitragen, Katharina in den Augen des Volkes durch eine neue Königin zu ersetzen. Katharina aus dem Blick des Volkes zu entfernen, war die größte Herausforderung für mich.
Nun … als Erstes musste ich mich um die rechtliche Seite kümmern. Ohne die rechtlich einwandfreie Vermählung mit Anne konnte alles andere nicht folgen. Ich musste Sorge tragen, dass die Bulle aus Rom, die Cranmer im Amte als Erzbischof bestätigte, beschleunigt zugestellt werde. Um dies zu bewirken, musste ich Rom beruhigen und versöhnen – indem ich scheinbar das Interesse an Anne verlor und statt ihrer den päpstlichen Nuntius, Del Brugio, umwarb. Klemens musste das Gefühl bekommen, dass die Erlaubnis, Cranmer zum Erzbischof von Canterbury zu ernennen, eine Winzigkeit sei, wo es darum ging, einen König bei Laune zu halten, ein geringer Preis, wenn dafür garantiert wäre, dass er unter den päpstlichen Fittichen blieb.
Es war notwendig, dass Anne bei diesem Plan mitarbeitete. Sie musste so tun, als sei sie verstoßen und bereit, den Hof zu verlassen. Ich war sicher, sie würde mit Vergnügen an einer solchen Maskerade teilhaben.
Sie war beleidigt.
»Mich in meinen Gemächern verborgen halten? Weinen, wo meine Zofen es sehen? Niemals!«
»Anne, dies ist eine notwendige List.«
»Um dem Papst von neuem ›Sand in die
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