Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
Vom Netzwerk:
Strafe der Exkommunikation.«
    »Exkommunikation!«
    »Aye.« Cromwell stand hinter Norris in der Tür. Ich winkte ihm, einzutreten. Woher Cromwell und Norris den Inhalt des »privaten« päpstlichen Schreibens kannten, darüber zerbrach ich mir nicht den Kopf.
    »Weiß der päpstliche Bote, dass ich weiß, dass er hier ist?«
    »Selbstverständlich nicht!« Cromwell war empört. »Das ist ja der springende Punkt. Wenn Ihr dabei helft, können wir dafür sorgen, dass er Euch die päpstliche Weisung niemals selbst in die Hände legen kann. Dann aber braucht er sich ebenso wenig wie Ihr darum zu bekümmern, was daraus geworden ist. Klemens wird erleichtert sein – er hat klar gesprochen, ohne dass ihn jemand gehört hätte.«
    »Sehr hübsch.«
    Cromwell gestattete sich ein feines Lächeln.
    Ich schickte nach Anne. Ich brauchte sie als Spiegel.
    Anne kam sogleich. Sie war süß wie Honig, ja – so leicht und lindernd wie das schmelzende Gebräu aus Honig und Kampfer, dass die Zofe meiner Kindertage mir langsam in die Kehle hatte rinnen lassen, wenn sie entzündet gewesen war. »Wie geht es meinem Geliebten heute?«, erkundigte sie sich.
    »Nicht gut«, grunzte ich, und ich berichtete ihr, was sich bisher zugetragen. Sie lachte über Katharinas Brief und vor allem über die Neuigkeit, dass sie Livreen in Auftrag gegeben hatte, auf denen unsere Initialen zu Liebesknoten ineinander verknüpft waren. Dann aber brach ihr Lachen jäh ab, und ihre Miene verdunkelte sich schmerzlich.
    »Armes, verlassenes Weib«, sagte sie langsam, »’s ist unerträglich schwer, jemanden weiter zu lieben, der nichts mehr davon wissen will.« Ich sah sie scharf an, aber sie schien mit sich selbst zu sprechen. »Die Iren wissen von einem Dreiklang. Drei Dinge gibt’s, die schlimmer sind als Trauer: Aufs Sterben zu warten und nicht zu sterben; zu gefallen zu suchen und nicht zu gefallen; zu warten auf jemanden, der nimmer kommt.«
    »Du bist der Grund, weshalb ich zu ihr nicht mehr komme. Kannst du jetzt Mitleid mit ihr haben?« Ich war erstaunt.
    »Ja und nein. Nein, denn ich würde es nicht ungeschehen machen. Ja, denn eines Tages werde ich vielleicht an ihrer Stelle sein.«
    Der Gedanke war absurd. Anne, fett und fünfzigjährig ihre Tage im Gebet verbringend, einem Mann nachrufend, der sie ignorierte? Niemals. Eher würde Anne sterben.
    »Genug von diesem Gerede«, sagte ich, und ich berichtete von der päpstlichen Weisung.
    »Und nun spielen wir Versteck mit ihm?«, fragte sie entzückt.
    »Ein Spiel, auf das du dich meisterlich verstehst. Und jetzt wirst du mich deine Künste lehren, meine Liebe.«
    Ich freute mich darauf, zu sehen, wie sie jemand anderen in die Lage brachte, in der sie mich so viele Jahre lang gefangen gehalten hatte – sodass ich ihre Überlegenheit bewundern und zu meinem Vorteil nutzen konnte, statt mich davon quälen zu lassen.
    Der Abend dämmerte. Bald brachte Norris unser Essen und frisches Feuerholz für den Kamin. Mir war behaglich und sicher zumute. Anne lächelte über Norris, der diskret seinen Aufgaben nachging. Seine Anwesenheit störte nicht, und doch gelang es ihm, uns bewusst bleiben zu lassen, dass er zugegen war, damit wir vor ihm nichts Vertrauliches beredeten.
    Das Feuer knisterte; seine Hitze drang mir in die Adern. Ich fühlte mich innen und außen warm, und, so diskret und tüchtig er zweifellos auch sein mochte, ich war doch froh, als Norris unser Geschirr abgeräumt, ein oder zwei duftende Holzscheite aufs Feuer gelegt und sich ausdrücklich für die Nacht zurückgezogen hatte.
    Ich führte Anne zu meinem Bett, wo ein anderer aufmerksamer Diener das frische Linnen für uns glatt gestrichen hatte.
    »Ach, mein Weib«, sagte ich und ließ mich in ihre Arme sinken. »Wie ich dich liebe!« Ich drückte ihr meine Hand auf den Bauch, und ein Gefühl der Vollständigkeit erfüllte mich.
    Weshalb gelang es mir dann nicht, ihr beizuwohnen? Wieso wurde er plötzlich weich wie die Brüste einer Jungfer? Es war unverständlich. In meinen Lenden pochte es, aber er war schlaff.
    Ich wand mich los, bedeckte mich in qualvoller Verlegenheit. Aber Anne wusste es; natürlich wusste sie es. Spräche sie nur ein Wort, es würde für alle Zeit zwischen uns schweben.
    »Geh!«, sagte ich. »Geh rasch.«
    Allein in meiner Kammer, setzte ich mich vor den Kamin und starrte ins Feuer. Die tanzenden, duftenden Flammen verspotteten mich.
    Mein Blick fiel auf Katharinas Brief, der noch immer auf dem Deckel der Truhe lag.

Weitere Kostenlose Bücher