Ich, Heinrich VIII.
Schultern glitt. Und beinahe gleichzeitig hörte ich zum ersten Mal den Ruf »Feuer!« – sodass ich noch heute, wenn ich meinen Mantel in dieser Weise anfasse, wieder diesen furchtbaren Klang vernehme …
Und dann konnten wir es auch sehen – wir sahen die Flammen in der Großen Halle. Sie waren drinnen, fraßen gierig, wie wir es wenige Stunden zuvor getan hatten, verzehrten alles. Schon leckten einige, in ungeduldiger Erwartung des nächsten Ganges, zum Dach empor. Noch hatte niemand Alarm gegeben, noch strömten die Leute nicht auf dem Hof zusammen. Es war, als hielten die Flammen ihr eigenes, privates Gelage ab.
Schwester Luke kreischte, drehte sich um und flüchtete zu den königlichen Gemächern zurück, und wir hasteten hinter ihr drein. Unterwegs kamen wir an zwei schlafenden Wachen vorbei; sie rüttelte sie wach und schrie etwas von Feuer. Dann hatten wir die Kammer des Königs erreicht, und Schwester Luke stand da und brachte in ihrer Angst nur noch unzusammenhängendes Gestammel hervor. Der König redete immer noch mit dem Boten, und wütend über die Störung blickte er auf. Aber als Schwester Luke die schwere Tür aufriss, quoll eine schwarze Rauchwolke herein. »Euer Gnaden, Euer Gnaden …«, plapperte sie und streckte dabei die Hand aus.
Der König stürzte zum Fenster und spähte hinaus. Die Flammen waren sich über dem Dach begegnet und hatten sich vereinigt. Während wir noch entsetzt hinüberschauten, begann das Dach sich aufzuwölben und brach dann langsam ein, als sei es aus schmelzendem Zuckerwerk. In diesem Augenblick drehte sich der Wind, und eine mächtige Hitzewelle schlug uns ins Gesicht.
Jetzt rührte sich der König. »Hinaus!«, rief er, und seine Stimme klang nicht mehr dünn, sondern befehlsgewohnt. »Hinaus!« Wir liefen alle zusammen in den Korridor hinaus, der inzwischen von dichtem Rauch erfüllt war. Funken flogen umher, als wir eine private Treppe hinuntereilten, die außerhalb der Schlossmauern endete. Die Wachen folgten uns. Der König drehte sich nach ihnen um. »Schlagt Alarm! Holt alle heraus! Und nicht in den Hof! Zum Fluss!« Er wandte sich an uns. »Ja, zum Fluss!« Er stieß uns weiter, hinunter zu dem Pfad, der zum Landungssteg führte.
Inzwischen war das ganze Schloss eine Fackel. Es war trocken gewesen, und das Gebäude war fast vollständig aus Holz. Flammen schossen aus dem Dach, und als wir zum Fluss hinunterrannten, hörten wir ein mächtiges Stöhnen: Das Dach der Halle stürzte vollends ein. Ich wandte den Kopf, um es zu sehen. Funken sprühten in weitem Bogen himmelwärts, und eine dicke Rauchwolke wälzte sich hinterdrein. Dann stieß Arthur, der hinter mir rannte, mich zu Boden.
»Nicht stehen bleiben und gaffen!«, schrie er. »Steh auf!« Ich rappelte mich hoch und behielt von jetzt an den Fluss im Auge, in dem sich das seltsame rote Licht hinter uns widerspiegelte. Wo das Wasser nicht gefroren war, tanzten die Flammen – ja, der Fluss selbst schien zu brennen.
Am Ufer blieb der König stehen. »Hier sind wir in Sicherheit«, sagte er. Schweigend drängten wir uns zusammen und sahen zu, wie Sheen Manor niederbrannte.
»Sic transit gloria mundi«, erklärte Margaret Beaufort und bekreuzigte sich. Dann blickte sie mich mit ihren stechenden schwarzen Augen an, und müßig, wie es in solchen Momenten zu geschehen pflegt, sah ich, dass sich die Flammen winzig darin spiegelten. »Darüber kannst du eines Tages predigen, Heinrich. Eine Lektion über die Vergänglichkeit alles Irdischen.« Ihre Rede wurde mit jedem Wort blühender. Ganz offensichtlich handelte es sich um eine Predigt, die sie nun selbst an Ort und Stelle zu halten wünschte. »Es war Gottes Werk, die Strafe für unsere Eitelkeit.«
»Es war das Werk der Cornier«, widersprach Vater. »Oder ihrer Freunde.« Er hob einen Stein auf und schleuderte ihn wütend über den Fluss hinaus. Er schlug auf dem Eis auf, rutschte ein paar Schritte weit und glitt dann lautlos ins kalte Wasser. Das Wasser kräuselte sich, und jede kleine Welle hatte einen roten Rand.
»Jetzt müssen wir in den Tower ziehen. Dann wird es aussehen, als hätten wir dort Zuflucht nehmen müssen. Sie haben es gut geplant.«
Plötzlich begriff ich alles. Ich verstand all die Kleinigkeiten, die mich ratlos gemacht hatten: Vater hatte das Bankett veranstaltet, um dem Hof und den einflussreichen Adeligen zu zeigen, was für ein reicher und mächtiger König er sei, wie fest und sicher er im Sattel sitze. Er hatte seine
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