Ich, Heinrich VIII.
Kinder nach Sheen kommen lassen und Arthur an seine Seite gesetzt, hatte nach dem Gelage auch mich und Margaret vorgeführt, um den Zusammenhalt seiner Familie zu demonstrieren und die Phalanx seiner Erben zur Schau zu stellen.
Er hatte die Hunde gehängt, weil allenthalben Verrat lauerte – als Warnung an potenzielle Verräter: Von ihm sei keine Gnade zu erwarten. Auf den Anschein kam es an, mehr als auf die Wirklichkeit. Die Menschen glaubten nur, was ihre Augen sahen, und wenn dies mit Berechnung gefälscht oder inszeniert war, so zählte dies nicht.
Und ich verstand das Eigentliche: Der Feind hatte seine eigenen Mittel, und er vermochte binnen eines Augenblicks alles ringsumher niederzureißen, sodass einem nichts blieb, als zu fluchen und Steine in den Fluss zu werfen. Alle Feinde musste man vernichten. Und man musste stets auf der Hut sein.
Und das Furchtbarste von allem: Vaters Thron war nicht sicher. Diese Tatsache ward mir mit kalten Nägeln in die Seele gehämmert. Morgen, oder in der nächsten Woche, oder im nächsten Jahr, wäre er vielleicht nicht mehr König …
»O Heinrich, warum?«, weinte Arthur, und noch immer presste er seinen weißen, hermelinbesetzten Mantel an sich. Dann beantwortete er seine Frage selbst. »Vermutlich war es ein unvorsichtiger Koch.« Er rieb sich mit der Hand über die Nase und schniefte. »Wenn ich König bin, werde ich die Küchen sicherer machen.«
Da fing ich auch an zu weinen – nicht um das brennende Schloss, sondern um Arthur, den armen, törichten Arthur …
»Ja«, sagte ich. »Mach die Küchen sicherer. Das ist gut.«
Sheen Manor brannte bis auf die Grundmauern nieder. Wir zogen uns in den sicheren Tower zurück, und Vaters Truppen besiegten die Cornier schließlich, allerdings erst, als sie London erreicht hatten. Jenseits der Themse, in Blackheath, wurde eine große Schlacht geschlagen; von einem Fenster hoch oben im Tower konnten wir das Gewimmel der Männer und die Rauchwolken von den Kanonen sehen. Auch kleine, hingestreckte Gestalten konnten wir erkennen, die sich nicht mehr rührten und die schließlich, als der Tag sich dem Ende zuneigte, diejenigen, die sich noch bewegten, an Zahl übertrafen.
Der Prätendent Warbeck wurde gefasst und im Festungsteil des Towers eingesperrt, und wir kamen beinahe im selben Augenblick hinaus, als er hereinkam. Die simple Frage, auf welcher Seite der Mauern man sich befand, bestimmte alles andere. Vater war wieder König und konnte frei und nach seinem Belieben umhergehen, und Warbeck war in lichtlosem Gemäuer gefangen.
Vater machte großartige Pläne zum Wiederaufbau von Sheen Manor, in modernem Stil mit vielen Glasfenstern. Zur Erinnerung an seinen letzten Triumph änderte er den Namen in Richmond Palace. (Er war Graf von Richmond gewesen, bevor er König wurde.) Er ließ sich das neue Schloss ganz gegen seine Gewohnheit viel Geld kosten, und so wurde es auch überraschend prächtig.
Überdies begann er, Pläne für Arthurs längst beschlossene Vermählung mit Prinzessin Katharina von Aragon zu schmieden. Er war entschlossen, Arthur so schnell wie möglich im Ehebett unterzubringen.
IV
A rthur war sozusagen gleich an dem Brunnen verlobt worden, an dem er auf den Namen Arthur getauft worden war, »zu Ehren des britischen Volkes«. Und wie konnte man die Ehre des britischen Volkes besser deutlich machen als durch die Kreuzung mit einem anderen Königshaus? Vaters Ziele waren wie immer hoch gesteckt. (In letzter Zeit erst ist mir klar geworden, dass er einen ausgezeichneten Spieler abgegeben hätte. Wie schade – und welch ein Verlust für seine Börse! –, dass er grundsätzlich nicht spielte.) Es war nahe liegend, dass die Wahl auf Spanien fiel; unseren Erbfeind Frankreich wollte Vater bei der Suche nach einer Braut lieber nicht behelligen. Wenn Spanien seiner Prinzessin erlaubte, in das Haus Tudor einzuheiraten, würde es uns damit als legitimes Herrscherhaus anerkennen. Es wäre eine von Vaters Schauveranstaltungen wie die mit den verräterischen Hunden. Er würde der Welt damit sagen: Seht nur, seht, ich bin ein wahrer König. Denn die alten, etablierten Königshäuser würden niemals einen Ehevertrag mit einem Perkin Warbeck oder seinesgleichen unterzeichnen. Und wären dieser Verbindung erst Söhne entsprossen, wären damit alle unausgesprochenen Vorbehalte gegen den Wert des Tudorblutes widerlegt. Arthurs und Katharinas Kinder würden an jedem Hofe Europas willkommen sein.
Ich glaube, zu jener Zeit
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