Ich, Heinrich VIII.
nichts ist sinnlos. Gott lenkt alles. Alles, sage ich.
Will:
Hat man je solchen Unfug gehört? Harry war immer so langweilig, wenn er sich in eine seiner religiösen Schwafeleien verstieg. Das hier ist ein ausgezeichnetes Beispiel. Schlimmer noch, dass er all das auch selbst glaubte.
Heinrich VIII.:
Ich hätte Arthur hassen müssen, doch ich tat es nicht. Sogar der Neid war mir verboten: Wenn Arthur König werden sollte, so war es Gottes Wille, und mit Gott durfte ich nicht hadern. Jakob hatte es getan, aber das war lange her, und er hatte die gerechte Strafe dafür empfangen. Das lernte ich, als ich die Genesis studierte.
Arthur wurde als ein beispielhafter Prinz gepriesen: Hübsch, brillant und viel versprechend. Man bewunderte seine Anmut, sein Aussehen, seine Gelehrsamkeit. Seine Kränklichkeit, die quälende Schüchternheit, das Fehlen jeglicher körperlichen Tüchtigkeit (bei dem Sohn eines Königs, der seine Krone in der Schlacht errungen hatte!), dies alles ignorierte man. Ein zukünftiger König ist stets eine Wundergestalt, ein Phänomen, die Reinkarnation Alexanders des Großen.
Und als die Jahre vergingen und ich größer und stärker wurde als Arthur und ihn im Studium einholte (insgeheim bat er mich immer, die lateinischen Übersetzungen für ihn anzufertigen), da wurde dies höflich übersehen, und mich übersah man gleich mit.
Nur Arthur selbst zuckte nicht vor mir zurück. Er hatte mich gern, und in gewisser Weise beneidete er mich. Er hielt mich für frei.
»Du hast solches Glück, Heinrich«, sagte er einmal leise, als der König uns besucht hatte – um Arthur zu loben und uns anderen flüchtig zuzunicken. »Dich sehen sie nicht. Was du tust, ist ihnen gleichgültig.«
Und das nennt er ein Glück, dachte ich säuerlich.
»Du kannst machen, was du willst«, fuhr er fort. »Du kannst werden, was du willst, tun, wozu dich die Laune ankommt.«
»Nein«, widersprach ich endlich. »Du bist es, der das alles kann. Denn was immer du tust, finden sie richtig. Was immer ich tue, finden sie falsch.«
»Aber verstehst du denn nicht? Das ist gerade die Freiheit – etwas Falsches tun können! Wie wünschte ich mir …« Plötzlich verlegen, brach er ab und wechselte das Thema, an jenem Tag im Vorfrühling, als er fünfzehn war und ich zehn. »Du sollst mir helfen, Heinrich«, stieß er unversehens hervor.
»Wie denn?« Ich war verblüfft ob dieser unerwarteten, freimütigen Bitte.
»Du bist ein so guter – ein so begabter Reiter«, sagte er schließlich. »Du weißt, ich … ich habe Pferde nie gemocht. Und jetzt werde ich mit Vater zu Katharina reiten müssen, meiner Verlobten.«
»Du wirst noch zwanzig, bevor es so weit ist«, spottete ich; wie alle Welt, wusste auch ich, dass die Verlobung mit Katharina wieder einmal in eine Sackgasse geraten war.
»Nein. Sie wird noch diesen Herbst herkommen. Und gleich darauf sollen wir heiraten. Ich weiß, die Spanier halten große Stücke auf die Reitkunst. Katharinas eigene Mutter ritt in die Schlacht, als sie gesegneten Leibes war! Ich … nun, ich …«
»Du willst nicht vor Katharinas Augen vom Pferd fallen«, vollendete ich für ihn. »Aber, Arthur, du reitest seit Jahren, hattest unzählige Lehrer. Was könnte ich tun, was sie nicht vermochten?« Du hasst Pferde und hast kein Gefühl für sie, dachte ich bei mir, und das kann kein Lehrer jemals wettmachen.
»Ich weiß es nicht«, sagte er kläglich. »Wenn wenigstens …«
»Ich werde versuchen, dir zu helfen«, sagte ich. »Aber wenn du kein guter Reiter bist, warum meidest du Pferde nicht einfach, wenn Katharina dabei ist? Tu etwas anderes. Singe. Tanze.«
»Ich kann nicht singen, und ich bin ein täppischer Tänzer«, antwortete er mit finsterer Miene. »Du kannst singen, und du kannst tanzen, aber ich kann es nicht.«
»Dann sprich Gedichte.«
»Ich hasse Gedichte.«
Was kannst du eigentlich?, fragte ich bei mir. »Dann brauchst du andere, die sich zum Narren machen, indem sie singen und tanzen und Gedichte aufsagen, und du selbst musst erheitert zuschauen.«
»Und da ist noch etwas! Die – die Hochzeitsnacht!« Seine Stimme klang höher als gewöhnlich.
»Oh. Das«, sagte ich nonchalant und versuchte, weise auszusehen.
Er lächelte matt. »Zumindest dafür kann ich deine Hilfe nicht erbitten«, versuchte er zu scherzen. Es war ein Scherz, der mich buchstäblich jahrelang heimsuchen sollte.
Und so sollte es endlich geschehen. Arthur sollte unverzüglich heiraten, und die spanische
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