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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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bedeutete Arthur, desgleichen zu tun. Niemand in der Halle durfte sich rühren, bis die königliche Familie die Estrade verlassen hatte, und ich fragte mich, was Margaret und ich wohl tun mussten, als ich sah, wie der König, die Königin und Arthur hinausgingen. Plötzlich wandte sich der König um und bedeutete Margaret und mir mit feierlichem Kopfnicken, mit ihnen zu kommen. Er hatte also die ganze Zeit gewusst, dass wir da waren.
    Sie nahmen keine Notiz von uns, als wir hinter ihnen hertrotteten. Der König war in ein Gespräch mit Warham vertieft, und die Königin ging allein und gedankenverloren vor uns. Hinter ihr, rabengleich, kam Margaret Beaufort, ganz in Schwarz; sie spitzte die Ohren, um die private Unterredung des Königs zu belauschen. Neben mir ging meine Schwester Margaret und beschwerte sich über ihre engen Schuhe und die späte Stunde und den gebratenen Schwan, der ihr nun Verdauungsbeschwerden machte.
    Die Gemächer des Königs lagen der Großen Halle entgegengesetzt auf der anderen Seite des Schlosses, was für die Küche Anlass zu manchem Gemurre bot. Aber als wir sie schließlich erreichten, verspürte ich so etwas wie Enttäuschung; sie waren alt und schäbig, und nicht einmal geräumig oder gut ausgestattet wie die Kindergemächer auf Eltham. Die Decke war fleckig vom Ruß schlecht brennender Talgkerzen, der Steinboden rissig und uneben. Und es war kalt, trotz des Feuers. Von überall her zog es, sodass die Fackeln flackerten. Unversehens war ich hellwach und fror.
    Aber der König wirkte abgelenkt und schien gar nicht zu merken, wie ungemütlich diese Umgebung war. Er winkte Ruthal und Fox zu sich und besprach sich eine Weile mit ihnen; dann wandte er sich von ihnen ab und erklärte in angespanntem Ton: »Nun müssen wir fröhlich sein! Es ist Weihnacht!« Er lächelte der Königin zu, doch es sah eher aus wie ein nervöses Mundzucken.
    Sie erhob sich, ein schlankes weißes Standbild. »Meine Kinder!«, sagte sie und streckte die Hände aus. »Ohne Kinder gibt es keine Festtage.« Sie wandte sich an Arthur, der neben ihr stand. »Mein Erstgeborener«, sagte sie zärtlich und zerzauste ihm das Haar. Dann ging ihr Blick durch das Gemach. »Und Margaret.« Margaret ging grinsend zu ihr hinüber. »Und Heinrich.« Langsam näherte ich mich ihr. »Ah, Heinrich! Wie bist du gewachsen. Und was hat Andre mir nicht von deinen Fortschritten im Unterricht erzählt.« Es klang warmherzig, aber die Worte waren unpersönlich. Sie hätte jeden von uns so anreden können. Einen Augenblick lang hasste ich sie.
    »Danke, Majestät«, sagte ich und wartete darauf, dass sie noch etwas anderes sagte. Aber es kam nichts mehr.
    Der König sank in einen alten, durchhängenden Ledersessel. Er ließ sich Wein bringen und trank zwei Becher davon, ehe er ein Wort sagte. Es war eine trübsinnige Feier. Allmählich bereute ich, dass ich nicht im Kindergemach geblieben war.
    Plötzlich stemmte er sich aus seinem Sessel hoch. »Jultid ist«, fuhr er fort, als habe er vorher vergessen, dies noch zu sagen. »Und ich bin dankbar, meine Familie hier bei mir zu haben. Wir werden nun Geschenke austauschen – besser gesagt, wir werden unseren Kindern ihre Geschenke überreichen.« Er machte eine Handbewegung, und ein Lakai brachte ein Tablett mit eingewickelten Geschenken herein. »Für Arthur.« Bei Aufruf des Namens hatten wir vorzutreten und unsere Gaben entgegenzunehmen. Arthur empfing das unhandliche Bündel, schlang die Arme darum und kehrte an seinen Platz zurück.
    »Nein, nein!«, rief der König schroff. »Aufmachen!«
    Gehorsam machte Arthur sich daran, die Umhüllung aufzureißen. Etwas Gefaltetes, Weiches war darunter. Es war weiß. Es war – ich sah es schon! –
ein samtener Mantel. Mit Hermelinbesatz. Er fiel Arthur über die Knie. Arthur musste ihn aufschütteln, und dazu war es nötig, dass er aufstand.
    Der König schwieg erwartungsvoll. »Danke, Vater«, sagte Arthur. »Danke, Mutter.«
    »Nun?« Der König strahlte. »Zieh ihn an!«
    Arthur schlüpfte hinein, und es entstand eine grässliche Pause. Der Mantel war viel zu groß und hing grotesk an ihm herunter, sodass er aussah wie ein Zwerg.
    Der König sah es und wedelte mit der Hand. »Er ist für deine Hochzeit«, erklärte er gereizt. »Ist natürlich noch ein bisschen groß.«
    »Natürlich«, murmelten die Kammerdiener, die zugegen waren.
    Arthur zog den Mantel aus und faltete ihn wieder zusammen.
    Margaret bekam ein Perlendiadem. »Ebenfalls für

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