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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Trompetenklängen im ganzen Lande verkünden: Katharina durfte nicht länger als Königin angeredet werden. Wer es dennoch tat, war des Todes. Etwas anderes zu rufen, stand ihnen frei; nur dieses eine Wort war zu meiden – und die englische Sprache ist reich an Synonymen und Umschreibungen.
    Aber die öffentliche Verkündung dieses Ediktes diente dazu, Anne zu besänftigen, wie es handfeste Äußerlichkeiten immer taten. Gesetze und Juwelen und Titel hatten ihr stets Trost und Sicherheit und Zuflucht geboten.
    In nur sechs Wochen würde alles anders sein, sagte ich mir. Wenn erst der Thronerbe wohlbehalten auf die Welt gekommen wäre und das Parlament ihm als dem Prinzen von Wales Gefolgschaftstreue geschworen hätte, dann würde das Volk lächelnd auf Anne und den Prinzen Edward blicken und Maria vergessen.
    Die Bekanntmachungen für das bevorstehende feierliche Ereignis wurden jetzt vorbereitet. Drei Dutzend Schreiber schrieben die Worte von der »Entbindung und Geburt eines Prinzen«. Ich erwählte zwei Velin-Pergamente von sahnigster Tönung, gänzlich ohne Narbe oder Runzel, die an Franz und an Karl gesandt werden sollten, und ich betraute zwei meiner geschicktesten Schreiber mit ihrer Ausführung. Im Geiste sah ich die Bekanntmachungen bereits an ihrem Bestimmungsort. Schon wenn ich mit den Fingerspitzen über die unbeschriebene Fläche strich, empfand ich ein Gefühl von Triumph und Erfüllung.
    Der Tag, da Anne sich in ihre Wöchnerinnengemächer zurückziehen sollte, rückte näher, und wann immer sie keifte oder schmollte oder muckte, zählte ich unversehens die Tage bis zur Zeremonie des »Einzugs in die Wochenstube«. Sie war unter der Regentschaft meines Vaters festgelegt worden und musste in allen Einzelheiten befolgt werden, wenn eine glatte Entbindung sichergestellt werden sollte. Zuerst musste eine Gruppe von Adeligen und Damen mit Anne die Messe in ihrer Privatkapelle besuchen und ihr dann in ihrem Audienzsaal unter einem Staatsbaldachin Wein und Kräuter reichen. Schließlich würde ihr Kämmerer laut darum beten, dass Gott ihr eine unbeschwerliche Niederkunft gewähren möge.
    Zwei Männer würden sie dann zur Tür ihres inneren Gemaches geleiten und sie dort ihrem Schicksal anheim geben, abgeschlossen von jeglicher männlichen Gesellschaft. Nicht einmal männliche Schoßhündchen oder Singvögel durfte es in diesem Gemach geben und auch keine Porträts von Männern oder Zeichnungen von männlichen Tieren.

    Bevor sie indessen dergestalt eingemauert wurde, kam Cromwell mit wahrlich schwer wiegenden Neuigkeiten zu mir.
    »Sie ist da«, meldete er schlicht. »Ich habe Nachricht erhalten, dass sie bereits gestern Abend über den Kanal gekommen und zu Dover gelandet sei.«
    Es war nicht nötig, dass er das verhasste Wort aussprach: Exkommunikation.
    »Klemens hat sie vor zwei Wochen unterzeichnet.«
    »Er sei verflucht! Konnte er nicht noch zwei Wochen warten? An Maria Himmelfahrt wird Anne die Wochenstube beziehen. Aber wenn sie vorher davon hört …! Oh, ich muss es verhindern! Crum, Ihr reitet dem päpstlichen Gesandten entgegen und sagt ihm, ich werde ihn in … in« – welches Haus lag günstig zwischen London und Dover? – »in Crowley empfangen. Sputet Euch!«
    Crum sah mich belustigt an. »Seid Ihr so erpicht darauf, Euer Verdammungsurteil in Empfang zu nehmen?«
    Seltsam – unter diesem Aspekt hatte ich die Sache gar nicht gesehen. »Es steht nicht in der Macht des Papstes, mich zu verdammen.« Die Worte kamen ganz natürlich über meine Lippen, ohne dass ich sie zuvor geprüft hätte. »Seine Macht erschöpft sich darin, eine Proklamation zu schreiben, die geeignet ist, meine Gemahlin in Schrecken zu versetzen und ihr ungeborenes Kind zu gefährden. Es ist die schäbige, kleinliche Geste eines schwächlichen Drangsalierers.«
    Und so offenbarte ich mir in einem unbedachten Augenblick meine innersten Gedanken. Die meisten Prüfungen im Leben überfallen uns ebenso unverhofft, und immerfort sitzt uns die lauernde Furcht im Nacken, wir könnten sie nicht bestehen.
    Rasch machte ich mich bereit, nach Crowley zu reiten. Es bedeutete, dass ich die Unterhaltung versäumen würde, die Anne für den Mittag geplant hatte: einen Dichterwettstreit zwischen irgendwelchen Höflingen, einen Zimmerspringbrunnen, dessen kühles Geräusch die drückende Sommerhitze lindern sollte, und schließlich eine Scherbet-Leckerei (Crum hatte ihr das Rezept geschenkt), mit der sie ihre Gäste überraschen wollte;

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