Ich, Heinrich VIII.
ausgeschlossen, dass Annes königliches Wochenbett irgendwo anders stehen könnte. Und so waren schon im Juli die Arbeiter dabei, einen Flügel des luftigen Palastes am Fluss zu jenem seltsamen Zufluchtsort umzubauen, zu einem Wöchnerinnenspital. Einen Monat vor der Niederkunft würde Anne sich mit nur wenigen vertrauten Frauen dorthin zurückziehen und dort bis nach der Entbindung in Klausur leben. Es war ein Gefängnis, mit Samt ausgekleidet, und es sollte verhindern, dass der Prinz gegen einen Wechselbalg ausgetauscht werde. Es diente zum Schutze der Königin.
Anne jedoch sah es mit anderen Augen. »Eingesperrt den ganzen August, im Hochsommer!«, klagte sie. »Zurückgezogen wie ein Türkenweib! Und keinen Mann soll ich sehen, außer meinem Arzt. Das ist grausam, liebster Harry!«
»Wir haben gegen so viele Bräuche verstoßen, dass wir die kleinen umso strenger einhalten müssen.«
»Und du wirst fortgehen und dich auf Staatsreise begeben.«
»Nein«, beruhigte ich sie. »Ich werde nie mehr als einen halben Tagesritt von deiner Seite weichen. Ich würde dich nicht allein lassen, nein – nicht um alle Juwelen in Beckets Grab. Wir werden zusammen sein bis zu dem Tag, da du mit deinen Frauen in die Wöchnerinnenstube ziehst.«
»Frauen!« Fast spie sie das Wort aus. »Eine Bande von öden, langweiligen Kreaturen, die von nichts anderem reden als von Milchpunsch und vom Kindbettfieber und davon, wie es war ›als ich mit meinem Johnnie schwanger ging‹.« Sie äffte sie grausam nach – und perfekt.
»Es liegt dir nichts an weiblicher Gesellschaft?«
»Nein! Nichts! Ich will Witz und Musik und Poesie um mich haben. Das alles finde ich bei dir. Mein Bruder George und seine Freunde, Tom Wyatt, Will Brereton, Francis Weston – die sind lustig. Aber eine Herde tratschender, törichter Weiber!«
Es stimmte. Sie umgab sich stets mit Männern und hatte keine Freundinnen. Ihr engster Gefährte war ihr Bruder George, nicht ihre Schwester Mary.
»Es ist ja nur für ein Weilchen. Du wirst noch froh genug sein, dass sie da sind, wenn es erst so weit ist. Ich kann mir nicht denken, dass du Lust hast, dich Tom Wyatt in der Stunde der Geburt zu zeigen. Die Frauen werden wissen, was zu tun ist. Schließlich haben sie ihre Johnnies, wie du sagst, zur Welt gebracht, und das ist im Wochenbett mehr wert als die Kenntnis italienischer Sonette.«
Sie zog eine saure Miene.
»Genug davon«, sagte ich. »Außerdem habe ich ein Juwel, das dich ins Wöchnerinnengemach locken soll: Ein großes Bett, das einst zum Lösegeld für einen Prinzen gehörte. Ich lasse es gerade aus dem königlichen Schatzhaus holen und in deinem Gemach zusammenbauen.«
Sie wischte meinen Bestechungsversuch beiseite wie ein listiges Kind. »Eingemauert zu werden macht mir keinen Spaß. Darf nicht einmal Mark Smeaton für mich aufspielen, damit ich in den endlosen Stunden des Wartens ein wenig Unterhaltung habe?«
Mark Smeaton. Dieser hübsche Bürgerliche, dessen Gewandtheit im Lautenspiel nahezu genial war. Wo mochte er es sich angeeignet haben, hatte ich mich schon oft gefragt.
»Das ist unmöglich«, erklärte ich mit schmalen Lippen. Würde sie es denn nie verstehen? Dinge, die Katharina, königlichen Geblüts schon im Mutterleib, mit jeder Faser ihres Seins gewusst hatte, gingen Anne ganz und gar ab.
»Aber …«, begann sie, doch ich schnitt ihr das Wort ab.
»Ich habe beschlossen, dass sein Name Edward sein soll«, verkündete ich.
»Oh.« Sie sah mich verblüfft an. »Ich hatte angenommen, du würdest dich für Heinrich entscheiden.«
»Ich hatte schon einen Sohn namens Heinrich; er starb.« Wie konnte es sein, dass sie davon nichts wusste? Es kam mir unmöglich vor, dass sie es nicht wissen, dass sie sich nicht die Mühe gemacht haben sollte, es herauszufinden.
Sie zuckte die Achseln, als sei es bedeutungslos – mein Sohn Heinrich, das Kind meiner Jugend. Das Kind von Katharina.
»Ich habe über die Taufzeremonie nachgedacht«, sagte sie verträumt. »Es soll ein großer Staatsakt werden. Jawohl – die Pracht soll allen, die es miterleben, ein Leben lang im Gedächtnis glänzen. Ich will tausende von Kerzen, und einen Taufbrunnen aus purem Gold, und Edwards Name soll dareingraviert sein, damit kein Geringerer je daran getauft werden kann. Und was mein Kleid angeht, so dachte ich an roten Satin –«
Hatte die prachtvolle und ruinöse Krönungsfeier ihrer Eitelkeit nicht genügt? Ich spürte, wie mein Ärger sich in Zorn verwandelte.
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