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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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bislang nach Rom geflossen war, mir zufallen lassen würde. Aber dieser künftige Geldstrom war vorläufig nur ein Rinnsal.
    Der Augenblick ging vorüber.
    »Ich bekomme ja Lady Willoughbys Erbteil«, sagte Charles. Der bettelnde Ausdruck war immer noch da.
    »Was?« Ich verstand ihn nicht.
    »Lord Willoughbys Tochter …«
    »Das Kind, das Euch als Mündel anheim gegeben wurde«, entsann ich mich. »Katharina.« Puh – dieser Name. Sie war nach Katharina getauft worden, denn ihre Mutter, Maria de Salinas, war 1501 mit Katharina, damals Arthurs Braut, aus Spanien hergekommen.
    Bald darauf hatte die hübsche kleine Spanierin die Aufmerksamkeit des liebenswürdigen Lord Willoughby erregt, und sie hatten geheiratet. Nach Willoughbys Tod war Charles zum Vormund über die Tochter eingesetzt worden. Das bedeutete, dass er ihr gegen eine Vergütung Wohnung gewährte, bis sie heiratete. So etwas war nicht ungewöhnlich; viele Lords hatten gleichzeitig mehrere Mündel.
    »Aber das Einkommen aus der Vormundschaft kann doch kaum ausreichen, um ein königliches Begräbnis davon zu bezahlen.« Ich blieb beharrlich. Charles hatte nie einen Sinn für Geld gehabt, wenngleich er immerhin so schlau gewesen war, seinen Sohn mit der kleinen Katharina Willoughby zu verloben, sodass ihre Ländereien und ihr Vermögen seiner Familie nicht entgehen würden.
    »Wir werden heiraten«, erklärte er unverblümt. »In drei Monaten – wenn die Zeit der Tieftrauer vorüber ist.«
    »Aber – sie ist doch mit Eurem eigenen Sohn verlobt!« Etwas anderes fiel mir dazu nicht ein.
    »Ich habe die Verlobung aufgelöst.« Er zuckte die Achseln. »Sie hatte immer schon etwas übrig für mich. Das sah man. Wie sie mich anschaute, wenn sie gelegentlich kam, um sich nach Maria oder nach Heinrich zu erkundigen …« Der Stolz des geborenen Lüstlings schimmerte in seinen Augen, deren Blick eben noch niedergeschlagen und schmerzerfüllt gewesen war. Ich spürte Übelkeit und wandte mich ab; ich fürchtete, ich könnte ihn schlagen.
    »Das müsst Ihr verstehen«, winselte er. »Geld. Es geht nur um Geld. Ich habe getan, was ich tun musste, um zu überleben. Ich habe Maria geliebt, und ich war ihr nie untreu, aber man muss doch leben – schaut, ich könnte sie sonst nicht einmal begraben!«
    »Ja«, sagte ich leise. »Man muss leben. Und es ist nicht die Ehre, die Leben spendet, noch ist es die Liebe noch ein schlagendes Herz noch eine atmende Brust … Jetzt sehe ich ein, dass diese alle nur etwas vermögen, wenn auch Geld zugegen ist. Geld ist die Kraft, die uns alle treibt, die Liebe und Ehre erst möglich macht.«
    »Ja. Ich wusste, Ihr würdet es verstehen. Ihr liebt Anne, nicht wahr? Und dennoch, ohne …«
    Sag es nicht! Sag es nicht! Ohne die Krone hätte sie dich nicht genommen!
    »… die Kirche auszuplündern, könntet Ihr Euch nicht von Papst und Kaiser unabhängig machen.«
    Ich fuhr herum und starrte den breitgesichtigen, alternden Glücksritter an. »Wie könnt Ihr es wagen, unser Tun zu vergleichen!«, brüllte ich. »Raffgieriger, begehrlicher Verführer, der Ihr Euch an der Bahre Eures Weibes prostituiert! Ich reformiere die Kirche, weil sie nach Läuterung, nach Reinigung schreit! Geht mir aus den Augen!«
    »Wie Ihr wollt.« Er verbeugte sich und verließ das Zimmer, den langen schwarzen Trauermantel frech hinter sich schwingend.
    Und ihn hatte Maria geliebt. Schmerz und Zorn kämpften in mir, und wie meistens obsiegte der Zorn.
    Der strahlende Junitag draußen erschien mir grausamer als der hässlichste Wintertag. Nun, da Maria nicht mehr war, hatte ich das letzte Bindeglied zu meiner wirklichen Familie verloren – und damit zu dem Knaben, der ich einst gewesen.
    Will:
    Und während diese Vergangenheit in der Kirche zu Framlingham in Suffolk zur letzten Ruhe gebettet wurde, schritt der Heinrich der Gegenwart, von seiner Vergangenheit abgeschnitten, durch den Sommer, kühn wie ein Löwe. Allem äußeren Anschein nach befand er sich auf dem Gipfelpunkt seines Lebens, immer noch gesund und schön, und seine Herzenssehnsucht war ihm erfüllt in seinem Weibe und in seinem künftigen Erben wie auch in seiner neuen Konkubine: der Kirche. Er war Fortunas Günstling an diesem Tage – seinem zweiundvierzigsten Geburtstag.

LII
    Heinrich VIII.:
    W o sollte mein Sohn und Erbe zur Welt kommen? Wo anders als in Greenwich, damals Annes Lieblingsresidenz – heute ein Ort, den ich meide, als wimmelte es dort von Gespenstern. Damals war es

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