Ich, Heinrich VIII.
Macht … Diesem Glauben hatte ich mein Königreich und meine Seele anvertraut. Warum also wankte ich jetzt auch nur für einen Augenblick?
Weshalb Wir im Namen Gottes des Allmächtigen, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, und im Namen des Heiligen Petrus, des Fürsten der Apostel und aller Heiligen, vermöge der Macht, die Uns verliehen, zu binden und zu lösen im Himmel wie auf Erden, entziehen Henricus Rex wie auch seinen Komplizen und Helfershelfern die Kommunion des Fleisches und des Blutes Unseres Herrn; Wir entfernen ihn aus der Gemeinschaft aller Christen, Wir vertreiben ihn vom Busen Unserer Heiligen Mutter Kirche im Himmel wie auf Erden; Wir erklären ihn für exkommuniziert, und Wir verurteilen ihn zu ewigen Feuerqualen bei Satan und seinen Engeln und allen Abtrünnigen, solange er nicht sprengt die Fesseln des Dämons und Buße tut und der Kirche Genugtuung gibt; so übergeben Wir ihn Satan, der seinen Leib kasteie, auf dass seine Seele am Tag des Jüngsten Gerichtes errettet werde.
Wer es wagt, Unsere Entscheidung zu missachten, soll verdammt sein bei der Wiederkunft Unseres Herrn, und er soll seinen Platz haben bei Judas Ischariot, er und alle seine Gefährten.Amen.
Es waren unheilvolle, hässliche Worte, die darauf zielten, das Opfer mit Entsetzen zu erfüllen. Aber ich wusste, dass sie keine Macht hatten. Ich wusste es. Ich fühlte mich nicht abgeschnitten von Gott. Ganz im Gegenteil, ich fühlte mich näher denn je an der Göttlichen Gegenwart, der Göttlichen Billigung.
Klemens war ein Narr. Ein politischer Narr. Weiter nichts.
Der Ritt von Crowley zurück kam mir düsterer vor als der Ritt hinaus. Das päpstliche Dokument bei mir zu tragen war so, als hätte ich etwas Totes am Leibe. Es war doch harmlos – warum fühlte es sich so gespenstisch und böse an?
Annes »Lustbarkeit« hatte ich vergessen, und so war ich für einen Augenblick verwirrt, als ich die fröhlichen Stimmen aus ihren Gemächern dringen hörte. Ich hatte kein Verlangen danach, hineinzugehen und vor den Gästen zu heucheln; am liebsten hätte ich mich zurückgezogen. Ich war erschöpft, und das nicht von dem Ritt hinaus nach Crowley und zurück. Aber in nur drei Tagen würde man Anne einschließen, und ich würde sie erst wiedersehen, wenn ich unseren Sohn in meinen Armen hielte. Ich war es ihr schuldig, mich zu der Gesellschaft zu begeben. Müde trat ich ein.
Die Leute hatten jenes Stadium am Ende einer Festlichkeit erreicht, da sie entspannt waren und nach Erfüllung der protokollarischen Vorschriften tun konnten, was ihnen Spaß machte. Und Spaß machte es ihnen offensichtlich, sich um Anne zu scharen.
Sie saß zurückgelehnt in einem Sessel, einen Höfling zur Rechten wie zur Linken, einen zu ihrem Haupte und einen zu ihren Füßen, und Mark Smeaton spielte in respektvollem Abstand von zehn Fuß ihr zu Ehren auf seiner Laute. Ich fühlte mich unwillkürlich an den Olymp erinnert, an Cherubim und seufzende Sterbliche, die ihn umschwärmten.
Sie lächelte träge, als sie mich hereinkommen sah, aber sie rührte sich nicht und winkte ihren Bewunderern auch nicht, sich zu entfernen. Vielleicht fühlte sie sich nackt ohne sie; jedenfalls schienen sie ein natürlicher Teil von ihr zu sein.
»Ich hoffe, Eure Geschäfte sind gut verlaufen«, sagte sie. »Bitte gesellt Euch doch zu uns. Ihr seht müde aus.«
Müde? Ja, wenn man seine Exkommunikation entgegennahm und in klaren Worten von seiner gegenwärtigen und zukünftigen Verdammnis lesen musste – das war anstrengend. Ich grunzte und nahm in ihrer Nähe Platz. Aber ich konnte keinen Gefallen an dem fröhlichen Treiben finden, und so entschuldigte ich mich schon bald.
Als Anne sie schließlich fortschickte und zu mir kam, lag ich in tiefem Schlaf, versunken in einer leeren, sternenlosen Welt.
LIII
N ur noch zwei Tage bis zum Einzug in die Wochenstube. Wie immer, wenn große Ereignisse geplant waren, bemühte ich mich, sie schon im Voraus würdig zu begehen. Ich scheiterte wie immer. Die Wahrheit war, dass Anne und ich vom Warten zermürbt waren und dass wir einander nur noch wenig zu sagen hatten. So war es eine Erleichterung, als am fünfzehnten August die vorgeschriebene Zeremonie begann und man Anne zur Messe in die königliche Kapelle eskortierte; man reichte ihr den traditionellen Trank, und nachdem ihr Kämmerer inbrünstig zu Gott um eine gesunde Entbindung gebetet hatte, geleiteten ihr Bruder George und ihr Onkel, der Herzog von Norfolk, sie bis
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