Ich, Heinrich VIII.
Zeremonien, Pomp, Spektakel; Kleider und Gold und Kerzen. Der Name ihres Sohnes interessierte sie nicht, nur das Aussehen seines Taufbrunnens. In der Geburt unseres Sohnes, des englischen Thronerben, sah sie nichts als einen funkelnden Rahmen für die Darstellung ihrer selbst.
»Marias Taufkleid!«, plapperte sie weiter. »Ich muss Marias Taufkleid haben! Gäbe es eine bessere Möglichkeit, dem Volke klar zu machen, wer der rechtmäßige Thronerbe ist? Gäbe es eine bessere Möglichkeit, Katharina und Maria zu demütigen? Ja, ich werde sogleich danach schicken!«
Jetzt tanzte es in ihren Augen, wie es mich einst so bezaubert hatte, und wie es immer geschah, wenn sie eine Teufelei im Schilde führte.
»Du bist töricht«, sagte ich angewidert. »Was gelüstet es dich nach Brosamen, nach Resten aus dem Leben einer anderen? Warum gibst du nicht ein neues Taufkleid in Auftrag, eines, das eigens für unser Kind gemacht wird? Du kannst es über und über mit Perlen besticken lassen. Es wird ein Schatz sein, den man noch nach Generationen bewundern wird. Stattdessen aber begehrst du etwas Altes, das noch dazu einer anderen Frau gehört.«
Wie mich? Als Katharinas Gemahl war ich wertvoll gewesen. Als ihr eigener – war mein Wert gesunken?
»Ich will das Taufkleid«, beharrte sie. »Und ich werde es bekommen.«
Ein paar Tage später kam ein wütender Brief von Katharina: Mit aller moralischen Rechtschaffenheit, die ihr zu Gebote stand, weigerte sie sich, das Kleid herauszugeben.
Anne war erzürnt über die Halsstarrigkeit und den Hochmut ihrer Rivalin. »Zwinge sie, das Kleid herauszugeben!«, kreischte sie mich an, und sie fuchtelte mit dem Brief auf und ab und schlug damit in die Luft.
»Das kann ich nicht«, antwortete ich. »Das Kleid ist nicht Eigentum der Krone, wie es etwa die königlichen Juwelen waren. Katharina hat das Recht, es zu behalten.« Die Tatsache, dass Katharina das Kleid wie einen Schatz hütete, freute mich insgeheim.
»Das Recht? Was für Rechte hat sie denn?«
Ich war entsetzt. »Die gleichen Rechte wie jeder englische Untertan. Unter anderem das Recht auf Privateigentum.«
»Sie verdient keine Rechte! Sie weigert sich, mich als Königin anzuerkennen! Damit ist sie eine Verräterin!«
»Kein Gesetz schreibt vor, dass alle Bürger dich formell als Königin anerkennen müssen. Heutzutage berufen wir uns auf das alte Präzedenzrecht, demzufolge Schweigen Zustimmung bedeutet.«
»Dieses Recht wirst du sehr bald ändern müssen«, bemerkte sie herausfordernd. »Es gibt viele verschiedene Arten von Schweigen, und bald – schon sehr bald – wird es wichtig sein, zwischen ihnen zu unterscheiden. Du wirst dich dazu gezwungen sehen, um deines Sohnes willen. Und dann beginnen die Hinrichtungen!« Ihre Augen wurden schmal. »Hinrichtungen. Alle Verräter werden hingerichtet, Harry – Katharina und Maria, und dieser dumme Thomas More. Du wirst keine Wahl haben!« Ihre Stimme schwoll in einem Crescendo.
»Anne!« Ich packte sie bei den Schultern und schüttelte sie heftig. Es war, als bräche ich einen dämonischen Bann. Sie verwandelte sich vor meinen Augen, und aus dem zeternden Ungeist wurde ein verwirrtes, ehrliches Geschöpf.
»Du regst dich auf«, stellte ich leichthin fest. »Das ist nicht gut für das Kind. Komm, ich will dir das große Bett zeigen, von dem ich sprach. Es ist, wenn ich mich recht erinnere, mit überaus zierlichen Schnitzereien verziert …« Ich sprach in besänftigendem Ton und beruhigte sie so.
Als ich in dieser Nacht allein in meinem Bett lag (denn die Ärzte hatten Anne und mir verboten, vor der Geburt noch einmal als Mann und Weib zusammenzukommen), war ich dankbar dafür, dass es mir so rasch gelungen war, ihre aufsteigende Hysterie zu ersticken. Später wäre noch Zeit genug, um über ihre Vorwürfe gegen Katharina und Maria nachzudenken, und auch über ihre Prophezeiungen hinsichtlich der Maßnahmen, die womöglich notwendig werden würden, wenn ich mich ihrer fortdauernden Popularität erwehren wollte.
Denn populär waren sie. Gerade eine Woche zuvor hatten die Dörfler zu Buckden sich um das kleine Schloss geschart und Katharina zugerufen: »Gott schütze die Königin! Wir sind bereit, für Euch zu sterben! Wie können wir Euch dienen? Verwirrung über Eure Feinde!« Und wann immer Maria sich sehen ließ, riefen die Menschen ihr Ähnliches zu. Es war recht klar, auf wessen Seite das Volk stand.
In der folgenden Woche ließ ich ein Edikt drucken und unter
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