Ich, Heinrich VIII.
beheben. Vielleicht war es das Janusgesicht der angestrengten Fröhlichkeit, in der ich sie mitunter gesehen hatte. Immer wieder murmelte sie, sie habe mich enttäuscht, habe England im Stich gelassen. Sie weigerte sich, Elisabeth zu sehen oder wenigstens dabei zu helfen, ihren kleinen königlichen Haushalt zu planen, sodass ich alles allein machen musste.
»Hatfield House ist ein gutes, gesundes und bequemes Haus«, erzählte ich Anne, und es war, als redete ich zu einer Statue. »Es ist hier in Hertfordshire, nur einen Tagesritt weit entfernt.«
Sie lächelte mich an, als tue sie mir damit einen großen Gefallen.
»Wir wollen, dass sie gedeiht, nicht wahr? Am Hofe ist es nicht gesund für sie. Hier könnte sie krank werden und sterben. Vor Weihnachten, wenn alle Welt zusammenkommt und ansteckende Dünste verbreitet, muss sie in Sicherheit gebracht worden sein.«
Endlich sprach Anne. »Weihnachten. Bis dahin sind es nur noch wenige Wochen. Ich muss mich sputen. Ich muss!«
»Es ist doch nur ein Fest. Nimm dir so viel Zeit für deine Genesung, wie du brauchst.«
»Weihnachten ist wichtiger. Ich muss bis Weihnachten auf den Beinen und angekleidet sein!«
»Das sollst du auch, meine Liebe. Ich bete täglich darum.«
»Elisabeths Haushalt?«, sagte sie plötzlich. »Er soll mit einer vollständigen Dienerschaft ausgestattet werden?« Sie zeigte plötzlich mehr Interesse, als ich seit Wochen bei ihr gesehen hatte.
»Aye. Ich bin eben dabei, sie auszuwählen. Aber vielleicht möchtest du es tun?« Das wäre ein gutes Zeichen.
»Es gibt nur eine, die ich dazu bestimmen würde. Lady Maria soll ihr dienen! Sie soll ihr die Gewänder bringen und ihren Unrat forträumen!« Es verblüffte mich, wie unvermittelt und wie heftig dieser Wunsch vorgetragen wurde. Konnte ich es ihr gewähren? Sollte ich es gewähren? Wie würde sich so etwas auf Marias Gemüt auswirken?
»So! Du zögerst! Einerseits versicherst du mir, ich sei die wahre Königin und Elisabeth die einzige wahre Prinzessin, und andererseits sträubst du dich vor dieser schlichten Bitte – einer natürlichen Bitte, wenn es stimmt, was du behauptest! Wie könnte man dem Volke besser zeigen, dass Maria ihre Ansprüche als Prinzessin aufgibt?«
»Crum und ich haben einen Eid ersonnen, den das Volk zu leisten hat …«
»Alles ganz schön und gut«, unterbrach sie mich leichthin. »Aber dies kann Maria an Eides statt tun.« Es klang durchaus logisch, doch dann fügte sie boshaft hinzu: »Katharina wird es das Herz brechen.«
»Wenn Maria als Dienerin zu Elisabeth kommt, darf sich dies nicht gegen Katharina richten«, entgegnete ich. »So etwas …«
»Ach, verteidigst du sie also wieder! Ich weiß, du sehnst dich danach, Katharina wieder aufzunehmen, denn im Grunde deines Herzens liebst du sie entweder immer noch, oder du fürchtest sie …« Und Annes Stimme hob sich zu der vertrauten besessenen Tirade.
Ich schnitt ihr das Wort ab. »Ich werde darüber nachdenken, Maria in Elisabeths Dienst zu stellen. Der Plan hat seine Vorzüge.«
Sie ließ sich auf ihrem Tagesbett zurücksinken, zum Schutz vor der nahenden Kälte in weiche, dichte Pelze gehüllt. Hier verbrachte sie jetzt den größten Teil ihrer Zeit, vor dem großen Kamin und mit Ausblick über die Themse. Ich schaute sie an, wie sie behaglich dort lag; die üppigen Zobel, die ihr Gesicht umgaben, waren nicht dichter, schwerer oder schwärzer als ihr eigenes Haar, und plötzlich entbrannte ich vor Verlangen nach ihr. Es überkam mich mit so Schwindel erregender Schnelligkeit, dass ich im selben Augenblick darüber staunte. Was waren das für Kräfte, die sie besaß? Zitternd zog ich mich zurück. Hinter mir, in ihrem Gemach, hörte ich, wie Mark Smeatons diskrete Musik anhob.
Wie lange war es her, dass wir zuletzt als Mann und Weib beieinander gelegen? Wie lange wollten die Ärzte mich noch von ihr fern halten? Ich suchte den Dämon der Sehnsucht aus meinem Herzen zu vertreiben und zwang mich, über den Einfall nachzudenken, Maria als Kammerfrau zu Elisabeth zu geben.
Ich hatte Maria seit anderthalb Jahren nicht mehr gesehen, denn sie hatte sich frech geweigert, meiner Seite der Angelegenheit auch nur Gehör zu schenken, und war stattdessen mit ganzem Herzen Katharinas Parteigängerin geworden. Gewiss, das war so natürlich, wie ihr die Erkenntnis, ein uneheliches Kind zu sein, schmerzhaft gewesen sein musste. Aber vielleicht würde sie jetzt die Gelegenheit begrüßen, ihren Frieden mit mir zu
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