Ich, Heinrich VIII.
machen, und ihre neue Stellung akzeptieren. Als königlicher Bankert anerkannt und tituliert zu werden, war schließlich keine Schande. Ja, ich würde ihr schreiben, es sei mein Wunsch, dass sie nach Hatfield zum Haushalt der Prinzessin komme. Und ich würde es ihr mit dem Hinweis auf das Weihnachtsfest bei Hofe versüßen …
Zwei Wochen später, ich saß eben da und ließ mir den frisch gestutzten Bart mit einem Rosmarinzweiglein kämmen, reichte Norris mir einen dicken Brief von Maria. Er strotzte von Siegeln, darunter auch das der Prinzessin von Wales, zu dessen Benutzung sie nicht mehr das Recht hatte. Ein schlechter Anfang.
Der Brief war barsch. Sie weigerte sich, als Kammerfrau nach Hatfield House zu kommen, und was die »Prinzessin« angehe, so wisse sie von keiner Prinzessin in England außer ihr selbst; wenn es mir indessen Freude mache, wolle sie Elisabeth als »Schwester« anerkennen, wie sie auch Heinrich Fitzroy, Bessies Bastardsohn, als »Bruder« anerkannt habe. Meine Erwähnung der »Königin« bewog sie zu der »verwirrten« Antwort, sie begrüße die Hilfe der Madam Pembroke bei der Wiedervereinigung mit ihrer Mutter, Königin Katharina.
Ich warf den Brief zu Boden. Törichte Närrin! Was sollte ich mit ihr anfangen? Ich brauchte sie. Ich brauchte ihre Mitarbeit.
Nein. Das war es nicht. Die Wahrheit war, dass ich sie brauchte; ich brauchte sie, wie ein Vater eben seine Tochter braucht. Ich liebte sie zu lange, als dass ich dieses Gefühl jetzt einfach hätte ersticken können, sosehr ich mich auch bemühte. Ich sah das kleine Mädchen vor mir, das hübsche Kind in dem juwelenbesetzten Häubchen, das dem Dauphin anverlobt wurde, das fröhliche Kind, das mir etwas auf dem Spinett vorspielte. Wie sie gelacht hatte, und wie wir uns am Spinett abgewechselt hatten … und dann die Veränderungen in ihrem Gesicht und an ihrer Gestalt, als ich sie eines Tages angeschaut und die Erkenntnis mich wie ein Ruck durchfahren hatte, dass der Übergang vom Mädchen zur Frau begonnen hatte.
Stolz war sie nach Ludlow Castle gezogen, um dort das Hofleben einzuüben, das sie dereinst führen sollte; sie hatte meine Obhut verlassen, und ich hatte, wie jeder Vater, den Schmerz des bevorstehenden Verlustes verspürt. Nicht so rasch, meine Kleine, nicht so rasch … Aber da hatte ich schon Anne gehabt, und mein Liebesirrsinn hatte betäubt, was es möchte bedeutet haben, Maria zu verlieren. Und wie jeder Vater hatte ich mir gedacht, irgendwann ist Weihnachten, und dann wird sie kommen … Wie hatte ich wissen sollen, dass sie nicht mehr kommen würde? Da war eine Leere, die keine Anne, kein Sohn und ganz bestimmt keine Elisabeth je würde ausfüllen können.
Ich hob das Pergament mit den schroffen, gestelzten Worten meiner entfremdeten Tochter auf. Ob es sie ebenso geschmerzt hatte, sie zu schreiben, wie mich, sie zu lesen?
Anne genas über Nacht. Es kam mir schon damals unnatürlich schnell vor. Sie ließ Cranmer wissen, dass sie bereit sei, sich der uralten Zeremonie der »Wöchnerinneneinsegnung« zu unterziehen.
»Ja, Thomas«, antwortete ich auf seine unausgesprochene Frage. »Wir werden diese Zeremonie beibehalten. Ihr mögt nur beginnen.«
Er zog ein Gesicht, als habe er einen Stein im Schuh. »Ich … ich habe den Ursprung dieser Zeremonie erforscht«, berichtete er schließlich, »und mir scheint, sie ist heidnisch. Auch die landläufige Bezeichnung dafür, die ›Läuterung der Weiber nach der Geburt‹, deutet darauf hin. Wäre nicht ›Danksagung der Weiber nach der Geburt‹ ein passenderes Wort für unsere Zeit wie auch für die Kirche von England?«
Ich seufzte. »Ja, vermutlich. Aber ein Wort auch, das nach Reform schmeckt. Eine Zeremonie hier, ein Wort da – und wo wird es enden?« Cromwells hartnäckiger Hunger nach einer »Untersuchung« der Klöster bereitete mir mehr Unbehagen, als ich zugeben wollte, und alles, was mich daran erinnerte, war mir unangenehm. »Lieber erhalten wir zu viel aufrecht, als dass wir irgendetwas allzu hastig abschaffen.«
Wie immer man es nannte, die alte Zeremonie der Einsegnung diente dazu, die Frau zu reinigen, damit sie sodann mit dem Segen der Kirche wieder mit ihrem Manne das Lager teilen konnte.
Vielleicht war es die Aufregung oder der Umstand, dass es uns so lange untersagt gewesen war. Oder die Tatsache, dass ich mich nach ihr sehnte, wie kein Mann sich je nach einem Weibe gesehnt hatte. Oder – ich weiß nicht, was oder warum: Jedenfalls hatte ich
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