Ich, Heinrich VIII.
ich ihm offenherzig (so hoffte ich), »und ich habe ein paar neue Visiergeräte, die Euch vielleicht überraschen werden. Das alte Astrolabium aus Greenwich werde ich auch mitbringen.« Ob er sich daran erinnerte?
Ich hatte mich erniedrigt, aber ich bereute es nicht. Ich betete nur darum, dass er sehen möge, in welcher Gefahr er schwebte, und dass er mein Hilfsangebot annehme.
In der Tat, antwortete er mir, wäre es ihm eine Ehre, die Eklipse mit mir zusammen zu betrachten. Seine Berechnungen hätten ergeben, dass sie kurz nach elf Uhr abends beginnen und gegen eins zu Ende sein würde. Er werde erfreut sein, wenn ich ihm die Ehre gäbe, früher zu kommen, rechtzeitig zum Abendessen und zur Komplet, und die Nacht in seinem Hause zu verbringen.
Die Luft war kalt an diesem Nachmittag gegen Ende April, als die Bootsleute die königliche Barke die Themse hinauf nach Chelsea ruderten. Einige Bäume fingen an, ihre Blätter zu entfalten, kupferfarbene, fedrige kleine Tupfen, während andere noch kahl waren. Das Gras an der Uferböschung war bereits leuchtend grün; es sah beinahe künstlich aus. Das Gras erwacht immer als Erstes aus dem Winterschlaf, und sein Anblick tut dann unseren Augen weh.
Als wir um die Biegung des Flusses kamen, sah ich den Bootssteg, der zu Mores Haus gehörte; er ragte ein Stück weit auf das Wasser hinaus. Nicht genug damit, dass man es unterlassen hatte, ihn auszubauen, um Platz für größere Schiffe zu schaffen – sein Zustand hatte sich auch noch betrüblich verschlechtert. Die Planken waren krumm und schief geflickt; sie waren verzogen und verbogen, und das ganze Gerüst schwankte unter meinem Gewicht.
Unten am Tor wartete More, an den Pfosten gelehnt. Er sah so braun und schlicht aus wie ein Zaunkönig, verwittert wie die Planken seines verfallenden Bootsstegs.
»Thomas!«, rief ich aus; ich hoffte, dass man mir meine Verwunderung über sein Aussehen nicht anmerken werde. »Wie habe ich mich auf diesen Augenblick gefreut!« Ich winkte meinen Dienern, die den metallbeschlagenen Kasten mit dem kostbaren Satz einzigartiger Linsen und das in Samt gehüllte Astrolabium zu tragen hatten. »Heute werden wir sie ertappen – die Dame Luna!«
Er streckte die Hand aus und ergriff die meine. »Ihr seid herzlich willkommen, Euer Gnaden.« Er öffnete die Pforte und verneigte sich tief. Ich trat ein, schlang ihm den Arm um die Schultern und drückte ihn eng an mich. Er widerstrebte nicht. Zusammen wanderten wir zum Haus hinauf.
Still lag es im spröden, kalten Zwielicht. Anders als an jenem fröhlichen, faulen Sommernachmittag (das einzige Mal bisher, dass ich ihn besucht hatte), eilten heute keine Diener umher, keine Kinder tollten auf der Wiese. Die Bienenkörbe schliefen, und nicht einmal die Ziegen waren zu sehen.
»Meine Kinder sind verheiratet.« Anscheinend hatte er meine Gedanken gelesen. »Erwachsen geworden, ausgeflogen. Elizabeth hat William Dauncey geheiratet, und Cecily ist Giles Herons Frau. Mein Vater ist vor kurzem gestorben. Sogar mein kleines Mündel, Margaret Gigs, hat sich vermählt – mit meinem ehemaligen Pagen, John Clement. Dame Alice und ich sind nun ganz allein. So etwas kommt schneller, als man glaubt.«
»Und Margaret?« Ich erinnerte mich seiner gewitzten, strahlenden Tochter.
»Sie hat ihren Will Roper geheiratet«, antwortete er. »Noch ein Rechtsanwalt. Unsere Familie ist voll davon. Wir könnten zur Abwechslung einmal einen Bauern oder einen Goldschmied gebrauchen.«
»Ihr hattet schon einen Lordkanzler und einen Parlamentarier.« Ich konnte mir diese Bemerkung nicht verkneifen.
»Drei Generationen von Rechtsanwälten.« Er ignorierte meine Stichelei. »Aber das Haus wird heute Abend nicht ganz und gar leer und verschlafen sein. Ich habe Margaret und Will herzugebeten. Ah!« Er wies auf eine finster blickende, verdrießliche Gestalt, die in der Tür stand. »Da kommt Alice.«
Wenn More wie ein Zaunkönig aussah, so glich sie einem Bussard. Sie war seit unserer letzten Begegnung dick und sauer geworden – ein Pudding, der verdorben war.
»Euer Gnaden.« (Wie viel Gift in diesen Worten lag!)
Ich betrat die winterliche Halle und war entsetzt. Ein großer Teil der Möbel war verschwunden, die Wandteppiche hatte man abgenommen, der Kamin war kalt.
Das haben wir dir zu verdanken, schien Lady Alice mit jedem Blick, jeder Geste zu sagen. Aber wen meinte sie damit? Mich, wegen meiner »Großen Sache«? Oder ihren Gemahl, der sich nicht hatte beugen wollen und
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