Ich, Heinrich VIII.
verbergen und mich während einer Audienz zu ermorden.) Aber automatische Hinrichtung für die Weigerung, ein Papier zu unterzeichnen?
»Die Urteile müssen vollstreckt werden, denn sonst wird niemand das Gesetz ernst nehmen oder überhaupt glauben, dass das Parlament durchzusetzen vermag, was es verfügt«, beharrte Crum. »Ich bete zum Himmel, dass alle den Eid leisten«, fügte er hinzu. »Um ihretwegen, und auch unseretwillen.«
Hatte ich die Pflicht, diejenigen zu warnen, die daran dachten, den Eid zu verweigern? Diejenigen, die vielleicht noch nicht begriffen hatten, dass die Zeit vorbei war, da man zaudern und den Mantel nach dem Winde hängen konnte, und dass das Gesetz keine Gnade mehr zeigen würde?
Mein Gewissen? Nein, das war ein Vorwand, ein hochtrabender noch dazu. Die Wahrheit war, dass die Liebe – falls ich für diese Leute noch Liebe empfand – mir befahl, sie zu warnen.
Bei Maria war ich schon gewesen. Zu Katharina konnte ich nicht, da sie sich in Cambridgeshire aufhielt, und zurzeit war es unmöglich, von London dorthin zu reisen. Aber ich konnte ihr schreiben und sie auf die Gefahr aufmerksam machen, in der sie schwebte.
More. Thomas More in Chelsea, der zurückgezogen lebte, seit er von seinem Amt als Lordkanzler zurückgetreten war. Der seine ewigen Bücher schrieb, seine Briefe, seine Weiheschriften. Die Bischöfe von Durham, Bath und Winchester hatten ihm meine zwanzig Pfund übersandt, damit er sich entsprechend einkleiden könnte, um nach London zu kommen und an Annes Krönungsfeier teilzunehmen. Er hatte ihnen abgesagt und eine impertinente »Parabel« verfasst, die vom Verlust seiner Unschuld handelte. Sie ging so:
Euer Ansinnen erinnerte mich an einen Kaiser, welcher dereinst ein Gesetz erlassen, demzufolge ein jeder, der ein gewisses Vergehen begangen, sollte hingerichtet werden, es wäre denn eine Jungfrau. So groß nämlich war des Kaisers Ehrfurcht vor der Jungfräulichkeit! Nun begab es sich aber, dass der Erste, der das Verbrechen beging, tatsächlich eine Jungfrau war; als aber der Kaiser dieses vernahm, war seine Bestürzung nicht gering, da er nun würde dieses Gesetz zur Anwendung bringen müssen. Worauf sein Staatsrat lange beieinander saß und ernstlich den Fall debattierte; unversehens aber erhob sich einer aus dem Rate – ein braver, einfacher Mann – und sprach: Warum, ihr Herren, so viel Aufhebens um eine so kleine Sach? Man soll sie erst entjungfern, und dann mag man sie enthaupten.
Wiewohl Eure Lordschaften in der Frage des Ehestandes bis jetzt die reine Jungfräulichkeit sich haben bewahren können, solltet Ihr dennoch darauf Acht haben, dass Ihr sie auch fürderhin bewahret. Es mag nämlich welche geben, die erst dafür sorgen, dass Eure Lordschaften bei der Krönung zugegen seien, nächstens, dass Ihr zugunsten der Sache prediget, schließlich, dass Ihr Bücher schreibet für alle Welt zur Verteidigung nämlicher Sache, und immerfort in Wahrheit nur trachten, Euch zu entjungfern; und haben sie Euch erst entjungfert, werden sie nicht fehlen, Euch zu enthaupten. Wohlan, Ihr Herren, es liegt ja nicht in meiner Macht, sie daran zu hindern, dass sie mich enthaupten. Aber Gott, der ist mein Herr, wird sorgen, dass sie mich niemals entjungfern.
Beim Krönungsbankett hatte ich vergeblich nach ihm Ausschau gehalten – nicht wie ein »Kaiser«, der sich um sein Opfer betrogen sah, sondern wie ein Freund, den die Abwesenheit eines Freundes betrübte. Nun wusste ich, dass ähnliche Tollkühnheit und die Unkenntnis der Konsequenzen ihn leicht dazu würden verleiten können, stillvergnügt den Eid zu verweigern.
Ich musste zu ihm. Ich hatte keine Wahl.
LIX
A ls sein König und Souverän hätte ich ihm befehlen können, vor mir zu erscheinen, wo es mir beliebte und wann es mir beliebte. Ich hätte ihn aus der Behaglichkeit seines Heims reißen, seinen gewohnten Tagesablauf durcheinander werfen, sein Leben auf den Kopf stellen können. Aber das wollte ich nicht tun. Ich war sein Freund. Und so beriet ich mich mit meinen Astronomen und Astrologen und stellte fest, dass in vier Wochen eine Mondfinsternis bevorstand. Dies wäre eine himmlische Erscheinung ohne irdische Obertöne, die wir zusammen würden beobachten können. Danach könnten wir dann miteinander sprechen.
Ich schrieb ihm und lud mich selbst ein, zu ihm nach Chelsea zu kommen und die Eklipse mit ihm zu beobachten. »Denn es gibt heutzutage niemanden mehr bei Hofe, der meinen Enthusiasmus teilte«, schrieb
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