Ich, Heinrich VIII.
mein Lord.«
Anfangs waren auch andere gegen mich gewesen – Warham zum Beispiel. Aber am Ende war vom ganzen Klerus nur Bischof John Fisher übrig – unbeirrbar, niemals wankend.
Am 17. Juni 1535 wurde er endlich vor Gericht gestellt. Man beschuldigte ihn des Hochverrats, begangen dadurch, dass er den König eines seiner Titel beraubt habe, indem er bestritt, dass dieser das Oberste Haupt der Kirche in England sei. Er gab zu, dass er mich als Oberhaupt nicht akzeptiere, suchte sich aber dadurch zu entlasten, dass er es nicht »bösartig« tue. Das Urteil ward dennoch gefällt: Schuldig – und er müsse sterben.
Die Äbte der Kartäuser-Klöster in London, Beauvale (in Nottinghamshire) und Axholme (in Lincolnshire) wurden aus dem Tower heraufgeschleppt und kamen gleichfalls vor Gericht. Bei ihnen waren noch drei störrische Mönche aus dem Londoner Ordenshaus der Kartäuser. Ein letztes Mal weigerten sich alle sechs, den Eid zu schwören. Alle sechs versuchten vorzuschützen, dass sie ihre eigenen, privaten Gedanken und Ansichten niemals »bösartig« gefasst hätten. Das Gericht vermochten sie damit nicht zu überzeugen. Sie wurden verurteilt: Man würde sie hängen, lebendig abschneiden, ihnen die Eingeweide aus dem Leibe reißen und verbrennen und sie dann strecken und vierteilen, und zwar am vierten Mai. Berichten zufolge gingen sie singend und mit heiterer Haltung in den Tod, und sie schauten, ohne sich im Geringsten schrecken zu lassen, dabei zu, wie ihre Gefährten einer nach dem anderen in Stücke gerissen wurden.
Jetzt war niemand mehr übrig außer More.
More musste vor Gericht gestellt werden, und es musste ein großartiger und öffentlicher Prozess in der größten Halle des ganzen Königreiches werden: in der Halle von Westminster, wo auch die Krönungsbankette stattfanden. More war als öffentliche Gestalt allzu monumental, als dass weniger möglich gewesen wäre.
Als Erstes unterzog man ihn mehreren »Vorverfahren« oder Verhören. Diese Verhöre wurden von Cromwell, Cranmer, Audley (Mores Nachfolger im Amt des Lordkanzlers), Brandon und Thomas Boleyn geführt. In allen bewahrte er sein »Schweigen«. Ich könnte hier all die verzwickten Argumentationen wiedergeben, die er vorbrachte, aber ich tue es nicht. Die Wahrheit ist, dass er seine Verteidigung (als geschickter Anwalt, der er ja war) auf juristische Haarspalterei gründete – letzten Endes auf die Frage, ob sein Schweigen »böswillig« sei oder nicht. Die juristischen Implikationen des Schweigens standen hier vor Gericht, nicht More selbst.
Seine legalistischen Sophistereien machten keinen Eindruck auf die Richter, und sie sprachen ihn schuldig.
Als er einsah, dass Schweigen ihm nichts nützen würde (und dass seine Richter ihn ohnehin durchschaut hatten), bat er darum, eine Erklärung abgeben zu dürfen. Die Bitte wurde ihm gewährt.
»Diese Anklage fußt auf einem Gesetz des Parlaments, welches in unmittelbarem Widerspruch zu den Gesetzen Gottes und Seiner Heiligen Kirche steht«, hob er an und erklärte sodann, kein Teil der Christenheit könne Gesetze zur Beherrschung der Kirche in ihrem jeweiligen Lande erlassen, wenn solche Gesetze im Widerspruch zu den Gesetzen aller anderen Länder ständen. England könne sich nicht über die Gesetze stellen, die für jedes andere christliche Land verbindlich seien. Wir – das Parlament und ich – behaupteten, wir könnten es doch. Und damit war die Debatte zu Ende.
Ich habe es unterlassen, Mores Prozess und seine Argumentation in allen Einzelheiten darzulegen, denn das Ende war das Ende. Es ist eine Qual, jeden Schritt, jeden Satz noch einmal nachzuvollziehen, wo ein einziges Wort, eine Tat, das ganze Ergebnis hätte verändern können. Seine Familie besuchte ihn im Tower; sie taten ihr Möglichstes, ihn zu überreden, dass er den Eid schwor, Abbitte leistete, sich befreite.
Im Tower verbrachte er seine Zeit mit Schreiben. Er verfasste mehrere Bücher, ein paar in Latein – Von der Trauer, der Müdigkeit, der Angst und dem Gebete Christi vor Seiner Gefangennahme war das längste – und andere in englischer Sprache: Ein Dialog des Trostes wider die Drangsal und Die vier Letzten Dinge. Im letztgenannten beschrieb er die vier Dinge, mit denen ein Mensch sich auf dem Totenbett zu befassen hat: den Tod, das Jüngste Gericht, die Qualen des Fegefeuers und die ewigen Freuden des Himmels.
More untersuchte den Augenblick des Todes mit Sorgfalt und kam zu dem Schluss, es gebe keinen
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