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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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das Gehirn davongeflogen oder werde irgendwo gefangen gehalten.
    Dann berichtete Anne mir ihre Neuigkeit, und das brach den Bann für mich.
    »Ich bekomme ein Kind.« Magische Worte. Worte, die zur Tat riefen.
    »Gepriesen sei Gott!«, rief ich aus. Alles würde gut werden: Aus den gegenwärtigen Nöten und schrecklichen Umwälzungen würde entstehen, was ich ursprünglich gewünscht und beinahe vergessen hatte: Ein Prinz würde kommen.
    Ich drückte sie an mich, fühlte ihren schlanken, geschmeidigen Körper, ganz in Seide gehüllt. »Gepriesen sei Gott!«
    More sollte am sechsten Juli hingerichtet werden, zwei Wochen nach Fisher. Ich gewährte seiner Tochter Margaret die Erlaubnis, bei der Hinrichtung zugegen zu sein. Er vermachte ihr sein härenes Hemd (jawohl, er hatte es während der gesamten Gefangenschaft weiter getragen), und man munkelt, die Familie bewahre es bis zum heutigen Tage als Reliquie. Seiner Frau schickte er keine Nachricht.
    Es war ein drückender Sommertag – nicht taubenfrisch, wie es auch manche sind, sondern lastend und schwer. Dünste hingen böse lauernd in der Luft.
    Anne hatte es mit charakteristischer Tapferkeit unternommen, dieser Stimmung zu spotten, indem sie in ihren Gemächern ein »Papst Julius«-Fest inszenierte. Sie hatte eine Anzahl Spieltische malen lassen – für ein Spiel, das im Sommer 1529 erfunden worden war: Papst Julius kam darin vor (der im Jahre 1503 den ursprünglichen Dispens erteilt hatte), und es gab Stoppkarten namens »Intrige«, »Ehe«, »Krieg« und »Scheidung«. Anne hatte Tische aufstellen lassen, an denen die Paarungen ausgespielt werden sollten; der wichtigste war der Meistertisch, an dem es schließlich um den Großen Preis gehen sollte. Das »Turnier« sollte gleich nach dem Sommerbankett um zehn Uhr vormittags beginnen und erst zu Ende sein, wenn der »Großmeister« ermittelt wäre.
    Alle Fenster in den Gemächern der Königin waren offen, und Diener standen mit Fächern daneben, um eine künstliche Brise zu erzeugen. Räucherwerk mit Rosenduft gab die Süße dazu, die der stinkenden Luft von draußen ermangelte. Da wir in Greenwich waren, konnten wir zumindest den Segen eines sanften Windes genießen, der von der See landeinwärts wehte. In anderen Schlössern war es zweifellos schlimmer.
    Der ganze Hof war zu Annes »Turnier« zusammengekommen, vom Geheimen Staatsrat bis zu den Damen der Königin. Crum war da, anscheinend erpicht auf das Spiel, außerdem die Brüder Seymour, Edward und Tom, die eben von einer fruchtlosen diplomatischen Mission aus Paris zurückgekehrt waren, Norfolk, Annes Onkel, und … nun, wie gesagt, der ganze Hof.
    Anne war infolge der drückenden Hitze und ihres Zustandes fast so gelb wie ihr Kleid, als sie nun umherflatterte und allen die Regeln des Spiels und ihres Turniers erläuterte. Mit dem Klingeln einer Glocke begannen alle. Ich saß an einem Tisch mit Thomas Audley, Richard Riche, dem Kronanwalt, und Jane Seymour, Edwards und Toms jüngerer Schwester, die ich aber noch nie gesehen hatte.
    Es waren Menschen wie Samt: Audley, so nachgiebig und vorsichtig; Riche, so geschmeidig und freundlich; Mistress Seymour, so sanft und tröstlich. Sie spielten ihren Charakteren entsprechend, und so gewann ich die Partie mühelos, denn ich war der Einzige, der kühn und rücksichtslos spielte.
    Papst Julius. Es war kein dummes Spiel, aber es gehörte in schlichtere Zeiten. Tatsache war, dass Papst Julius tot war und dass es seither drei Päpste gegeben hatte. Mein Feind, Papst Klemens (oder war er mein Freund gewesen? Einen apathischeren Widersacher hätte ich mir jedenfalls nicht denken können) war inzwischen gestorben, und sein Nachfolger war ein sehr viel härterer Herr namens Alessandro Farnese, genannt Paul iii. Es ging das Gerücht, Paul gedenke zu verwirklichen, was Klemens nur angedroht hatte: einen Heiligen Krieg gegen mich. Die römisch-katholische Kirche war endlich zum Angriff übergegangen; sie hatte ihre Kräfte gesammelt, nachdem sie wie gelähmt die anfänglichen Erfolge Martin Luthers miterlebt hatte. Papst Julius war einfach zu verstehen und zu manipulieren; er eignete sich gut für ein Gesellschaftsspiel.
    Ich fühlte eine unbestimmte Enttäuschung, als die Partie zu Ende war, obgleich es meine eigenen aggressiven Gebote waren, die sie beendeten. Meine Partner hatten mir gefallen; gefallen hatte mir vor allem Mistress Seymour und die Art, wie sie ihre Karten hielt und ihre Spielmarke über das Brett schob. Ich

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