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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Macht demonstrierte, aber er schien daran nicht interessiert zu sein. Stimmte es, was man von ihm behauptete? Ich wollte es sehen, bevor ich Bedauern darüber empfand, dass ich ihn nicht bekam … oder ihm nicht selber diente.
    Ich bat ihn darum. Er lachte (ein selbstgefälliges, hasserfülltes Lachen) und schwenkte eine behandschuhte Hand. Die Wände stürzten ein und wurden zu Wasser, und unter dem Stuhl, auf dem ich saß, sprudelte es auf. Ich wurde davongetragen, drehte mich im Kreise, umklammerte angstvoll die Armlehnen, stemmte die Füße gegen die Sprossen, wurde fortgeschwemmt in eine dunkle, rauschende Röhre …
    Ich erwachte. Das Rauschen des Wassers umgab mich wie eine Sintflut. Es trommelte gegen die Fensterscheiben, und ich hörte ein Rieseln. Irgendwo hatte es Einlass gefunden, durch einen kleinen Spalt zwischen den Steinen.
    Mein Kopf klärte sich. Regen. Es konnte in dieser Nacht nicht regnen. Es war unmöglich. Bei Sonnenuntergang hatten wir einen völlig klaren Himmel gehabt. Den überschwemmten Feldern war Schonung gewährt worden. Das Korn würde sich erholen, die Ernte normal ausfallen. Das hatte uns der klare Himmel verheißen.
    Der Wolkenbruch, der bis in meinen schlafenden Geist gedrungen war, überflutete nun von neuem die längst von Wasser gesättigte Erde.
    Seit More starb, hat es nicht aufgehört zu regnen, munkelte das gemeine Volk. In der Nacht des sechsten Juli hatte es angefangen, und in den sechs Wochen seither hatte es mit kleinen Unterbrechungen immerfort geregnet. Das Gemüse auf den Feldern war längst ertrunken und verfault. Das Korn –
Hafer, Gerste, Weizen –, bei weitem das Wichtigste, wäre jetzt noch zu retten. Aber wenn es verdürbe …!
    Zum Teufel mit diesem Regen! Ich sprang aus dem Bett und ging zum Fenster. Es war kein süßer, sanfter Regen. Hässliche, harte Wassergüsse prasselten gegen das Fensterglas.
    Henry Norris regte sich auf seinem Lager und drehte sich auf die andere Seite. Er schlief nicht mehr am Fußende meines Bettes, da dies zu dicht an der von Feuchtigkeit durchzogenen Außenwand lag und seine Matratze hier von Schimmel bedroht gewesen wäre. So hatte er seine Lagerstatt an eine Innenwand verlegt.
    Es regnete auf Mores Kopf, der auf seiner Stange an der London Bridge inzwischen schwarz geworden war (wie man mir erzählt hatte). Wenigstens wurde er nicht zu einem Gegenstand der Verehrung und des Aberglaubens wie Fishers Schädel. Ich selbst hatte ihn mir nicht angesehen, und ich würde es auch weiterhin nicht tun.
    Die ganze Geschichte war mir zuwider und ekelte mich an. Wenn nur dieser Sommer erst vorüber, das Jahr nur erst vergangen wäre, sodass nicht jeder Wetterumschwung (ganz normal, ganz normal) gleich in ein »Omen« oder eine »Strafe« umgemünzt wurde! Nächstes Jahr um diese Zeit würde es einen Thronerben geben. Annes Sohn würde auf der Welt sein! Dann würde man sehen, wie sie sich an More erinnerten – nämlich überhaupt nicht! Sie waren unbeständige, seichte Kreaturen, die Leute. Annes Sohn würde ihnen zu augenblicklichem Vergessen verhelfen, was More, Fisher und den Eid anging.
    Das eine löschte so das andere aus – oder nicht? Ohne Bezahlung kein Gewinn. Und dies alles war meine Bezahlung für Anne.
    Der Regen zischte mich an.
    Tu nur dein Ärgstes, forderte ich ihn heraus. Tu dein Ärgstes, und ich werde doch obsiegen.

    Es war dringend nötig, dass ich eine sommerliche Reise durch das Reich unternahm, dem Volke zusprach und erkundete, was es dachte. Aber wegen Annes Schwangerschaft wollte ich das Risiko, sie mitzunehmen – und sei es auch in einer verhältnismäßig bequemen Sänfte –, nicht eingehen. Ich wollte sie aber auch nicht allein lassen, sondern bei ihr bleiben, auf sie Acht geben und für sie sorgen.
    Sie war schwierig während dieser Schwangerschaft. Zwangsvorstellungen plagten sie – unter anderem die, dass sie niemals einen lebenden Sohn zur Welt bringen könne, solange Katharina und Maria lebten. Sie brauchte Musik zu ihrer Beruhigung, und deshalb musste Mark Smeaton zu ihrem Leibmusiker ernannt werden, denn nur sein Lautenspiel vermochte »die Dämonen zu vertreiben«. Sie verlangte nach allerlei Unterhaltung, und so holte ich die Theatertruppe von Oxford an den Hof und forderte sie auf, »etliche fantastische Geschichten aus vergangener Zeit« zu schreiben und vorzuführen, der Königin zur Freude.
    Sie taten es; sie verfassten die Geschichte von Dr. Faustus und brachten sie grandios zur Aufführung,

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