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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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und das Verraten von Geheimnissen, zu deren Bewahrung wir uns verpflichtet haben. Sie log nicht, aber sie war eine Lüge! Denn der Vater der Lüge hatte ihr beigewohnt …
    Neuntes Gebot: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Weib.
    Sie begehrte fremde Ehemänner. Mich, am Anfang; dann Thomas Wyatt, Francis Weston, sogar ihren Bruder George. Alle waren verheiratet, und doch verlangte sie, dass sie ihr den Hof machten.
    Zehntes Gebot: Du sollst nicht begehren deines Nächsten Hab und Gut.
    Habgierig hatte Anne stets auf den Besitz anderer geschaut und ihn begehrt, und sei es nur ihnen zum Trotz. Ich dachte daran, wie hartnäckig sie darauf bestanden hatte, Katherina zu berauben – des Taufkleides und ihrer königlichen Juwelen –, und wie sie Wolseys York Place übernommen hatte. Sie begehrte Dinge, nur weil sie einem Feind am Herzen lagen.
    »Gedanken führen zu Taten«, sagte ich. »Müssen wir warten, bis ein Mörder mordet?«
    »Das müssen wir, wie Gott selbst es muss. Überdies ist in den Augen des Gesetzes bis dahin niemand ein Mörder. Eure Majestät … könnt Ihr das Problem mit der Königin nicht ein wenig klarer darlegen? Ich könnte Euch so viel besser helfen, wenn ich genauer wüsste, was Ihr meint.«
    Nein. Wenn ich ihn einweihte, gefährdete ich sein Leben. Die Hexe würde es wissen.
    »Nein. Es genügt, wenn Ihr wisst, dass ich mich ihrer entledigen und von ihr geschieden werden muss. Findet die Mittel zu diesem Zweck! Benutzt Euren Scharfsinn, wendet all Eure Macht auf, aber bringt es zuwege!« Die gleiche Anweisung, die ich einmal Wolsey im Hinblick auf Katharina gegeben hatte, und er war gescheitert. »Ihr dürft nicht scheitern; die Lage ist verzweifelt!« Crum war nicht durch eigenen Ruhm und Ruf gebunden; er konnte sehr viel freier handeln, als Wolsey es je vermocht hatte. Sein eigener Ehrgeiz war ihm kein Hindernis, wenn es darum ging, seinem König zu dienen. Unser beider Interessen standen in völligem Einklang.
    »Ich werde Zeit brauchen«, sagte er. »Es möchte nützlich sein, wenn ich bei den Feierlichkeiten der Königin zu Michaelis dabei sein könnte. Wenn Ihr mir eine Einladung verschaffen könntet …?«
    Anne plante also schon wieder eines von ihren Festen. »Ja, selbstverständlich. Wird es ein großes Fest?«
    »Der ganze Hof soll teilnehmen, heißt es. Aber ich habe keine Einladung bekommen. Die Königin hat mich nie … geschätzt.«
    »Wie undankbar, wenn man bedenkt, dass Ihr der lenkende Verstand hinter der großen Revolution wart, auf der heute ihr Thron steht.«
    »Die Fähigkeiten meines Verstandes sind noch nicht erschöpft, und nichts ist für alle Zeit sicher.« Seine Augen glänzten wie die eines Knaben, der ein großes hölzernes Puzzle bekommen hat. Sein Erfindungsreichtum hatte eine Herausforderung erhalten, und er hatte Gelegenheit, zur Jagd aufzusteigen und seine Beute vom Himmel zu holen – wie einer seiner geliebten Falken.

    Ich hatte eine Einladung von Anne zum Fest zu Ehren des heiligen Erzengels Michael und aller Engel erhalten. Ihre Majestät, die Königin, veranstaltete es; und der Zeitpunkt und die Einzelheiten waren auf dem Papier mit einem wunderlichen Muster in Schwarz und Weiß verwoben, das beim Betrachten unmerklich von der einen zur anderen Farbe wechselte und sich von innen nach außen kehrte. Natürlich: Das Fest des Heiligen Michael war Sinnbild für den alljährlich wiederkehrenden herbstlichen Kampf zwischen Finsternis und Licht, in dem die Finsternis triumphierte. Es war raffiniert von Anne. Aber raffiniert war sie ja immer gewesen, wie ein wildes Tier – nur eben nicht besonders klug.
    Ich würde mich bis zum angegebenen Abend von ihr fern halten. Dies einzurichten war einfach genug; ich hatte alle Hände voll zu tun, denn die Höflinge kehrten zurück, die Gerichte nahmen ihre Arbeit auf, und ausländische Gesandte drängten sich nach Audienzen. Ich dankte Gott dafür, dass König und Königin über getrennte Gemächer verfügten. Einstweilen sandte ich Anne freundliche, höfliche Grußbotschaften in der Hoffnung, sie damit zu versöhnen und ihr jeden Argwohn zu nehmen, ich könnte ihr wegen der vorgetäuschten Schwangerschaft etwa nicht »vergeben« haben.
    Denn, um die Wahrheit zu sagen, ich hatte Angst vor ihr. Sie besaß bestimmte Kräfte (in welchem Maße, das wusste ich nicht, und meine Angst rührte zur Hälfte schon daher), darunter vielleicht die Fähigkeit, Gedanken zu lesen, und bestimmt die Fähigkeit, ihren Feinden

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