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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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die Fingerspitzen an einen großen Globus, den er auf einen geschnitzten Fuß hatte stellen lassen, und drehte ihn herum. Die Welt begann zu kreisen, ein glänzendes Muster aus bunten Ländern und Meeren.
    »Wenn die Ehe einen Fehler hat, der sie ungültig macht, dann wird alle Welt die Prinzessin-Witwe für rehabilitiert halten und sie wieder an ihrem rechtmäßigen Platz sehen wollen.«
    Katharina. Hier in London war es, als existiere sie nicht, als sei sie verweht im Dunst der Moore. Aber für den Kaiser und den Papst war ganz England eins und London nicht weniger entlegen als Kimbolton.
    »Ihr werdet Katharina dann wieder zu Euch nehmen müssen«, sagte Crum und ließ den Globus noch einmal rotieren. Er knarrte auf seiner Achse. »Es ist unglückselig, dass die überflüssige Gemahlin Eurer Majestät noch da ist.«
    All das trieb jetzt wieder an die Oberfläche, wie ein Leichnam, der drei Tage im Wasser gelegen hatte … nein, ich konnte es nicht ertragen. Aber Anne, die Hexe … sie konnte ich auch nicht ertragen, denn sie wollte mich töten.
    »Was ist, wenn der Fehler nicht in der Ehe liegt, sondern in der Königin selbst?«, flüsterte ich. »Wenn sie einen Makel hat, einen tiefgründigen, fatalen Makel, dessentwegen sie …« kein menschliches Wesen ist, wollte ich sagen, wagte es aber nicht … »sich nicht eignet, Königin zu sein?«
    »Eine moralische Verfehlung?«, fragte er eifrig.
    Ja, so konnte man es wohl nennen, wenn jemand seine Seele an den Teufel verkaufte. Ich nickte.
    »Diebstahl, Lüge, falscher Schein?« Er dachte laut, schüttelte den Kopf und verwarf eine Möglichkeit nach der anderen.
    »Man nennt sie die Großhure«, sagte ich leise.
    »Aber das würde auch einen Schatten auf Eure Majestät werfen.« Die spöttische Selbstsicherheit war aus Cromwells Verhalten verschwunden. Er lehnte sich ans Fenstersims, und draußen riss ein verspielter Wind die losen Blätter vom Apfelbaum und wirbelte sie durch die Luft. Die lastenden Zweige wippten und schwankten. »An einer solchen Lösung kann uns nichts liegen. Verrat hingegen – das ist etwas Scheußliches, und er besudelt nur den Verräter, nicht aber sein Opfer.«
    »Sie hat gegen jedes einzelne der Zehn Gebote verstoßen!«, rief ich aus.
    Jetzt verlor Cromwell den letzten Rest von sichtbarer Fassung. »Eure Majestät!, ich kann nicht glauben … gewiss nicht … Mord. Die Königin hat nicht gemordet!«
    Doch, dachte ich. Wolsey, Warham, Fisher, meine Schwester Maria, Percy … und in diesem Augenblick wendet sie ihre Schwarze Kunst gegen andere.
    »In ihrem Herzen, Crum. In ihrem Herzen.« Mehr konnte ich ihm für den Augenblick nicht offenbaren.
    »Aber das haben wir alle schon getan«, wandte er ein. »Nach dem Gesetz, nach dem allgemeinen Gesetz des Reiches, ist es die Tat, die einen Menschen verurteilt, nicht seine Gedanken. Ihr seht die Dinge mit den Augen des Obersten Hauptes der Kirche von England; nach geistlichen Maßstäben ist die Absicht freilich schon an sich eine schwere Sünde.« Mit dem schlauen Gebrauch solcher Schmeichelei, glaubte er, würde er die Auseinandersetzung gewinnen und mich von meinem Vorhaben abbringen.
    Erstes Gebot. Ich bin der Herr, dein Gott. Du sollst keine fremden Götter neben mir haben.
    Anne hatte Satan zu ihrem Herrn und Meister erkoren.
    Zweites Gebot: Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes nicht unnütz aussprechen.
    Indem sie an christlichen Riten teilhatte und öffentlich »betete«, tat Anne eben dies und verhöhnte so den Herrn.
    Drittes Gebot: Gedenke, dass du den Sabbath heiligest.
    Die Sonntage und die heiligen Feiertage verbrachte sie mit eitlen Maskeraden und Banketten zur verklärten Darstellung ihrer selbst.
    Viertes Gebot: Du sollst Vater und Mutter nicht verunehren.
    Anne stand auf schlechtem Fuße mit ihrer ganzen Familie, nur nicht mit ihrem Bruder George.
    Fünftes Gebot: Du sollst nicht töten.
    Oh, sie hatte … sie hatte …
    Sechstes Gebot: Du sollst nicht ehebrechen.
    Das würde sie nicht tun, nein, sie war zu eitel, als dass sie sich irgendjemandem hingäbe, außer Satan … und ihrem Stolz. Diana, die Mondgöttin: Gegen dieses Gebot hatte sie nicht verstoßen.
    Siebentes Gebot: Du sollst nicht stehlen.
    Sie hatte den Thron gestohlen, hatte Ritus und Salbung gestohlen, die nur einer wahren Königin zukamen.
    Achtes Gebot: Du sollst nicht falsch Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten.
    Das Gebot verbietet Lügen, vorschnelles Urteilen, Verleumdung, falsche Anschuldigung

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