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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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körperlichen Schaden zuzufügen. Ich zweifelte nicht daran, dass sie diese Kräfte bald gegen mich verwenden würde, sobald sie nämlich begriffen hätte, dass ich ihr auf die Schliche gekommen war. Ich hatte die Aufgabe, diese Erkenntnis so lange wie möglich zu verhindern, bis ich den ersten Schritt tun könnte.
    Unterdessen bestätigte Chapuys meine schlimmsten Befürchtungen. Der kaiserliche Botschafter, der seine Audienz eher gefordert als erbeten hatte, stand voller Bangigkeit vor mir. Ich fragte mich, ob meine eigene Bangigkeit ebenso deutlich sichtbar war, als wir einander anschauten: Ich auf meinem Thron, in den königlichen Hermelin gehüllt, das Zepter in der Hand, er barhäuptig, den Hut fest umklammert.
    »Eure Majestät, es heißt, die Prinzessin – Lady Maria« – er machte keine Witzeleien wegen des Titels –, »sie sei ernstlich erkrankt. Man fürchtet für ihr Leben.«
    Er überreichte mir einen abgegriffenen Brief, der schon viele Male auseinander und wieder zusammengefaltet worden war: Eine Nachricht von Maria und eine von ihrem Beichtvater. Ich fühlte stechenden Schmerz darüber, dass sie es vorgezogen hatte, nicht an mich, sondern an Chapuys zu schreiben, aber die Vernunft sagte mir tröstend, es sei ja nur natürlich, dass sie sich an ihren Bundesgenossen wandte. Dennoch schmerzte es mich.
    Maria beschrieb ihre Krankheit nicht, sondern bat Chapuys nur, er möge sich dafür einsetzen, dass Katharina sie pflegen dürfe, »meine eigene liebe Mutter, so viel wert wie eintausend Ärzte«. Ihre Handschrift wirkte matt und verloren; sie irrte über das Blatt wie ein Hündchen, das in öder Wüstenei den Weg nicht mehr wusste. Der Beichtvater schilderte den Beginn des mysteriösen Leidens als »plötzlich; es setzte ein am Geburtstag der Prinzessin Elisabeth und schafft der Lady große Pein in Magen und Gedärm, sodass sie kaum einmal ihre Speise in sich zu halten vermag und täglich dahinschwindet. In der Nacht erscheinen Blutergüsse an ihrem Körper – woher, das wissen wir nicht«.
    Annes Unterschrift, ihre höhnische Unterschrift, war da, wenn man sie nur zu erkennen wusste: Es setzte am Geburtstag der Prinzessin Elisabeth ein. Dies war Annes Art, den Geburtstag zu feiern.
    Man sagt, der Teufel sei so stolz, dass er oft Dummheiten begehe, nur um zu protzen und zu prahlen. Dies war so ein Fall. Anne hatte sich die elegante Wendung nicht versagen können, den siebenten September als den Tag zu erwählen, an dem sie mit der Vernichtung von Elisabeths Rivalin begann.
    »… will ich mich selbst als Sicherheit verbürgen«, sagte Chapuys eben. Ich hatte nicht zugehört.
    »Was sagtet Ihr, bitte?«
    »Lasst sie zu Katharina gehen! Sie braucht ihre Mutter, sie leidet im Geiste wie am Körper, und eins kann ohne das andere nicht genesen. Ich biete mich als Geisel an. Ihr mögt mich töten, wenn Euch aus der Wiedervereinigung etwas Schädliches erwächst.«
    »Unmöglich. Was würde mir Euer Tod nützen, wenn Katharina einen Aufstand gegen mich entfacht?« Mit Marias Brief in meiner Hand hasste ich die Grausamkeit, mit der ich ihr verbot, was sie, wie ich wusste, aufmuntern, wenn nicht kurieren würde. Immer war ich gezwungen, den Part des Bösewichts zu spielen, nur weil ich Dinge wusste, die andere nicht wussten, und weil ich die Verantwortung für viele Menschen, nicht nur für einen einzigen, zu tragen hatte.
    »Katharina würde nur als Mutter handeln …«, hob er an.
    »Beim Blute Gottes, sie ist nicht so, wie Ihr denkt!« Ich winkte, dass man mir meine private Briefschatulle bringen möge; ich schloss sie auf und nahm einen schweren Umschlag heraus. Cromwells Spione hatten ihn erst vor drei Tagen gebracht. An seiner Echtheit konnte kein Zweifel bestehen; zu gut kannte ich Katharinas Handschrift, die dicken, schwarzen Schriftzüge. »Lest. Ihr Verrat steht in diesem Brief.« Es hatte mich betrübt, es zu lesen und zu wissen.
    Der Brief war an den Papst gerichtet – an sich schon ein Verstoß gegen das Gesetz zum Verbot eines jeden Appells an Rom. Aber selbst wenn dies nicht so gewesen wäre, hätte der Inhalt des Briefes, der Ruf nach einer Intervention des Auslands in Angelegenheiten Englands, den Tatbestand des Hochverrats erfüllt.
    »Eure Heiligkeit weiß, wie das ganze Christentum weiß, welche Dinge in England geschehen, welch große Kränkung Gott widerfährt, welche Lästerung in den Augen der Welt, und mit welcher Schmach Eure Heiligkeit überhäuft wird. Wo nicht binnen kurzem

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