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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Jubelrufe.
    »Junger Lord Heinrich!«, rief jemand. »Tanzt weiter!«
    Und das tat ich, bis der Schweiß in Strömen an mir herunterlief und ich keuchend nach Atem rang. Erschöpft bahnte ich mir meinen Weg in eine Ecke und lehnte mich dort an die Wand. Ich fühlte, wie der Schweiß mir über das Gesicht und über den Rücken rieselte und mein Hemd durchfeuchtete.
    »Willst du deine Zukunft wissen?«, wisperte mir plötzlich eine Stimme ins Ohr. Ich drehte mich um und erblickte eine gut gekleidete Frau neben mir. Aber ein seltsamer Ausdruck lag in ihrem Blick, und sie beugte sich verschwörerisch zu mir herüber. »Ich hab hier nichts verloren. Wenn sie mich finden, muss ich raus. Aber ich komme zu allen königlichen Hochzeiten. Beim König war ich« – mit einer Kopfbewegung deutete sie auf Vater – »und beim armen Richard; und bei Edward … aye, nicht bei dem, denn der hat sie ja heimlich geheiratet – wenn er sie überhaupt geheiratet hat, die Hexe!«
    Sie sprach von meiner anderen Großmutter, Elisabeth Woodville. Ich blieb starr sitzen und sagte kein Wort.
    »Du bist also nicht neugierig?«, fragte sie, als hätte ich sie gekränkt. Langsam raffte sie sich auf und schickte sich an, woanders hinzugehen. Aber noch während sie aufstand, erkannte sie einer von der königlichen Garde.
    »Dieses Weib!«, brachte er hervor und kam hastig herüber. »Sie ist eine walisische Hellseherin! Eine Hexe!« Er packte sie, schob sie zur Tür und stieß sie hinaus. Dann schaute er mit schuldbewusstem Kopfschütteln zu mir herüber. »Sie schwärmen herum wie die Fliegen! Ich kann sie nicht alle draußen halten!«
    In dieser Nacht ging Arthur mit Katharina in sein Bett. Ich lag allein in meinem und dachte daran, dass die Waliserin meine Großmutter als Hexe bezeichnet hatte, denn ich wollte nicht daran denken, was Arthur jetzt tat –
oder nicht tat. Eine seltsame Vorstellung, dass in kommenden Jahren dutzende von Gelehrten eben diese Frage erörtern sollten.

V
    A m nächsten Morgen ließ Arthur sich von den Höflingen in seinem Schlafgemach bedienen. Er verlangte becherweise Wein und prahlte unablässig, dass die Ehe doch eine harte Arbeit sei, die Durst mache, und so fort. Er wiederholte es den ganzen Tag; es war auch das Erste, was er zu mir sagte, als er endlich aus seinen Gemächern kam und mich sah. Er versuchte sich gar an einem mannhaften Feixen.
    Arthur und Katharina waren über die Weihnachtstage die ganze Zeit bei Hofe, und ich stellte fest, dass ich es nicht ertragen konnte, in ihrer Gesellschaft zu sein. Ich schmollte und suchte die Festlichkeiten zu meiden. Dies entsprach so wenig meiner Art, dass die Königin mich schließlich in meinem geheimen, einsamen Versteck besuchte, in einer leeren Kammer hoch oben unter dem Dach des Palastes. Ich hatte geglaubt, es wisse niemand, dass ich dort hinaufstieg, aber offenbar hatte sie es doch bemerkt.
    Es war kalt dort; niemand zündete je ein Feuer an. Aber ich hörte gedämpft die Musik und das Lachen aus der Großen Halle unter mir. Ein neuer Mummenschanz, ein neues Tanzvergnügen. Ich hielt mir die Ohren zu und schaute durch das kleine, spinnwebverhangene Fenster hinaus; die Dezembersonne sandte ihre schrägen Strahlen über das Palastgeländer und weit darüber hinaus. Alles war braun und golden und still. Ich sah die Schiffe auf der Themse; sie lagen dort vor Anker und warteten. Warteten …
    Ich wünschte, ich könnte ein Seemann sein und auf einem dieser Schiffe hausen; immer auf dem Wasser leben, in der ganzen Welt umhersegeln. Ein Prinz zu sein – ein Prinz von der Art, wie ich es sein musste –, war, damit verglichen, langweilig. Ich würde … ich würde zunächst einmal zu den Docks hinuntergehen und die Schiffe kennen lernen. Heimlich würde ich gehen! So konnte Vater nichts dagegen sagen. Ich würde mich verkleiden … und dann, wenn ich erst ein erfahrener Seemann wäre, dann würde ich davonsegeln, mein Leben hier vergessen, verschwinden, ein Vagabundenprinz werden – große Abenteuer erleben! Nie würden sie erfahren, was aus mir geworden war. Nur ich würde wissen, wer ich wirklich war. Ich würde Ungeheuern begegnen, Seeschlachten sehen, und –
    »Heinrich?« Eine leise Stimme unterbrach meine Gedanken.
    Schuldbewusst drehte ich mich um und sah die Königin.
    »Heinrich, was tust du hier ganz allein?«
    »Ich mache Pläne für meine Zukunft.«
    »Das hat dein Vater bereits getan.«
    Ja. Er hatte sich einfallen lassen, mich zum Priester zu machen.

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