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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Nun, sie würden Messgewand und Albe und Zingulum jemand anderem anpassen müssen. Ich jedenfalls würde zur See fahren!
    »Du brauchst dir nicht den Kopf zu zerbrechen über das, was aus dir werden soll«, sagte sie und glaubte, mich damit zu beruhigen. »Und du darfst dich nicht vor den Festlichkeiten verstecken.«
    »Die Festlichkeiten langweilen mich«, erklärte ich großartig. »Und die Kostüme für den Mummenschanz hatten Mottenlöcher!« Irgendwie hatte gerade dies mich in Verlegenheit versetzt. Ich wusste, der spanische Botschafter hatte es gesehen und über uns gelacht.
    Sie nickte. »Ja, ich weiß. Sie sind so alt …«
    »Warum kauft er dann keine neuen?«, platzte ich heraus. »Wieso nicht?«
    Sie überging die Frage und alles, was sich dahinter verbarg. »Bald wird man tanzen. Bitte komm. Du bist ein so begabter Tänzer.«
    »Ein begabter Tänzer!«, wiederholte ich mürrisch. »Das Tanzen werde ich vergessen müssen – es sei denn, Arthur erlaubt dem Klerus, im Ornat zu tanzen. Glaubt Ihr, Seine Heiligkeit erteilt uns einen solchen Dispens?« Es war hoffnungslos; für mich kam nur die See infrage, das war klar.
    Plötzlich beugte sich die Königin zu mir nieder und berührte leicht mein Gesicht. »Lieber Heinrich«, sagte sie. »Mir hat es auch missfallen. So sehr.«
    Also wusste sie, verstand sie es. Sie war die Älteste gewesen, aber eben nur eine Tochter. Unfähig, aus eigenem Recht Königin zu werden. Unfähig. Und sie hatte gewartet. Immer gewartet – darauf, dass man ihr eine zweitrangige Rolle zuwies.
    Ich nickte. Und gehorsam folgte ich ihr hinunter in die Große Halle.
    In der Halle war es heiß und voll; alle trugen Kleider aus Satin, aus juwelenbesetzten Brokaten und prachtvoll gefärbtem Samt. Ich war mir meiner schlichten Kleidung nur allzu bewusst. Für Hochzeit und Weihnachtsfeierlichkeiten hatte man mir nur drei neue Anzüge bewilligt, und längst war ich in allen dreien aufgetreten.
    Arthur und Katharina saßen am Ende der Halle. Arthur war aufgeputzt wie ein von Edelsteinen funkelndes Götzenbild; zerbrechlich und puppenhaft sah er aus in seinem übergroßen Sessel. Immer wieder warf er nervöse Blicke auf Katharina. Er und seine neue Gemahlin sollten London gleich nach den Feiertagen verlassen und in eine kalte, grässliche Burg an der walisischen Grenze ziehen, um dort König und Königin zu spielen, damit sie diesen Beruf erlernten. Das war allein Vaters Idee gewesen; er war davon überzeugt, dass man Arthur abhärten, ihn stählen müsse.
    Arthur aber wollte offensichtlich nicht gestählt werden. Dennoch fügte er sich, weil es seine Pflicht war. Arthur tat immer, was seine Pflicht war. Anscheinend hatte er das Gefühl, ein König zeichne sich dadurch aus, ja, es sei geradezu das Wesen des Königtums.
    Die Sänger nahmen ihre Plätze auf der steinernen Galerie ein. Es waren fünfzehn – doppelt so viele wie gewöhnlich. Ihr Leiter verkündete, sie seien besonders geehrt durch die Anwesenheit eines venezianischen Lautenspielers und eines Schalmeienbläsers aus Flandern. Beifälliges Gemurmel erhob sich, und er fügte hinzu, dass auch ein französischer Musikant, wohl bewandert in französischen Hoftänzen, sowie ein weiterer, am spanischen Hofe ausgebildeter Künstler aufspielen würden.
    Zu Anfang spielten sie englische Tänze, und fast alle Lords und Ladys und die ganze Hofgesellschaft tanzten, denn die Schritte waren ihnen vertraut. Sie kannten die Pavane, die Branle und die Allemande.
    Arthur tanzte nicht. Er saß einfach da, still und ernst, in seinem mächtigen Sessel, und mit Bedacht ignorierte er Katharinas Rastlosigkeit und ihre im Takt wippenden Füße. Sie sehnte sich danach, zu tanzen – das verriet ihr Körper mit jeder Faser.
    Plötzlich war ich entschlossen, diese Sehnsucht in ihr und auch in mir selbst zu stillen. Wir beide waren Gefangene unserer Stellung: sie verheiratet mit einem Mann, der sich weigerte, zu tanzen, und ich ein zukünftiger Priester. Es war beschlossene Sache, dass wir den Rest unseres Lebens ohne Tanz würden verbringen müssen. Vielleicht, aber ein bisschen Zeit hatten wir noch …
    Ich bahnte mir meinen Weg zu ihr hinüber, verneigte mich tief vor der Estrade und bedeutete ihr, sie möge mich zu einer Burgunde begleiten. Sie nickte zögernd; ich streckte die Hand aus, und zusammen begaben wir uns in die Mitte der Halle.
    Ich fühlte mich wie trunken. Ich hatte getan, was ich tun wollte, und das vor aller Augen! Welche Seligkeit … Es war

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