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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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ein Gefühl, das ich nie mehr vergessen, das ich von diesem Tag an stets aufs Neue suchen sollte.
    Ich sah Katharina an. Sie lächelte, froh über ihre Rettung. Und da war noch etwas anderes in ihrem Blick … sie fand mich angenehm, fühlte sich von mir angezogen. Ich spürte, dass sie mich annahm, dass sie mich mochte, und es war wie der Schein der Sommersonne.
    Sie war eine glänzende Tänzerin und kannte viele verzwickte Schritte, die uns in England unbekannt waren. Ich hatte Mühe, mitzuhalten. Ihr Taktgefühl, ihr Gleichgewicht, ihr Sinn für die Musik waren erstaunlich. Nach und nach traten alle anderen zurück und sahen zu, wie wir eine Galliarde tanzten, eine Danse du Roi, einen Quatre Branle und einen spanischen Tanz aus der Alhambra, den sie mir zeigte. Als die Musik aufhörte, war Katharina atemlos, und ihr Gesicht war gerötet. Die Zuschauer schwiegen einen Augenblick lang verlegen, doch dann begannen sie uns zuzujubeln.
    Allein auf der Estrade saß Arthur mit finsterem Blick wie ein blasses, wütendes Kind.

VI
    V ier Monate später war Arthur tot – er starb an der Schwindsucht in jenem zugigen walisischen Schloss –, und Katharina war Witwe.
    Und ich war unversehens der Thronerbe – das Einzige, was zwischen der jungen Tudor-Dynastie und der Vergessenheit stand.
    Ich war allein in meiner Kammer, als die Nachricht kam. Einer der Pagen brachte mir eine kurze Notiz des Königs; er bat mich, gleich zu ihm zu kommen.
    »Unverzüglich?«, fragte ich verwirrt. Der König ließ mich sonst niemals rufen, und schon gar nicht mitten am Tage, wenn ich bei meinen Studien zu sitzen hatte.
    »Ja, Euer Gnaden«, antwortete der Page, und seine Stimme klang verändert. So hörbar verändert, dass sogar ein Zehnjähriger es merken musste. Ich sah zu ihm hinüber und merkte, dass er mich anstarrte.
    Und so war es auf dem ganzen Weg. Überall glotzten die Leute mich an. Ich wusste plötzlich, dass etwas Furchtbares bevorstand. Würde man mich nun in ein abgelegenes Kloster schicken, vorgeblich zum Studieren?
    Ich erreichte die königlichen Gemächer und zog die schwere Holztür auf. Drinnen war es finster und trostlos wie immer. Vater mit seinem verqueren Sinn für Kargheit gab niemals genug Holz aufs Feuer, es sei denn, er erwartete einen hochrangigen Gast. Normalerweise war es in seinen Gemächern so kalt, dass die Bediensteten hinter den Wandschirmen verderbliche Lebensmittel aufzubewahren pflegten. Butter, so hörte ich, hielt sich hier besonders gut.
    Ich erkannte eine schattenhafte Gestalt im Halbdunkel, die mir den Rücken zugewandt hatte. Der König. Er drehte sich um und sah mich.
    »Heinrich!« Er kam mir entgegen und streckte die Hände aus. Ich bemerkte, dass die Finger vor Kälte ein wenig blau waren. Seine Mundwinkel waren abwärts gekrümmt, als zögen unsichtbare Gewichte die Haut seines Antlitzes nach unten.
    »Arthur ist tot. Dein Bruder ist gestorben.« Mit schmalen Lippen spie er mir die Worte entgegen, als wäre ich dafür verantwortlich.
    »Wann?« Etwas anderes fiel mir nicht ein.
    »Vor drei Tagen. Der Bote kam eben aus Ludlow. Es war – eine Erkältung. Auszehrung. Was weiß ich.« Er schüttelte den Kopf, und seine Hände machten hilflose Gesten.
    »Ihr habt ihn dort hingeschickt.« Ich hörte meine eigene Stimme; es war die eines Fremden. »Ihr habt ihn nach Wales geschickt, in diese grässliche Burg.«
    Er sah niedergeschlagen und alt aus – ein eingefallener Beutel aus Leder. »Damit er lernt, König zu sein …« protestierte er matt.
    »Damit er starb. Es musste so kommen. Er war nie kräftig. Er konnte an diesem Ort nicht überleben. Und er wollte nicht dorthin.«
    Arthur ist tot … Arthur ist tot … Die Worte hämmerten in meinem Schädel wie Regentropfen, die gegen ein Fenster prasselten.
    »Ja. Ich habe ihn nach Wales geschickt.« Eis überzog die grauen Augen des Königs. »Und damit, so scheint es, habe ich dich zum König gemacht.«
    Bis zu diesen Worten war mir die volle Bedeutung des Geschehenen nicht klar geworden. Arthur war tot: Ich würde König werden.
    »Das ist Gottes Werk«, sagte ich wie von selbst, und ohne nachzudenken. Es war das, was Priester immer sagten, wenn eine Katastrophe geschehen war.
    Vaters Augen quollen aus den Höhlen, und er trat einen Schritt auf mich zu und hob die Hand, als wolle er mich schlagen. »Wie kannst du es wagen, zu behaupten, Gott wolle, dass du König wirst?«, wisperte er.
    »Ich wollte doch nur …«, begann ich, doch ein

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