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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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brennen und quälen mich weit mehr als mein Bein. Nimm sie von mir, oder ich weiß nicht weiter.
    Irgendwo rührte sich etwas. Es war noch jemand dort unten in der Kapelle. Ich beschloss zu gehen. Ich fühlte mich niedergeschlagen und bekümmert – mehr denn zuvor, als ich Stille und Dunkelheit aufgesucht hatte. Vielleicht würde ein anderer hier finden, was mir versagt geblieben war.
    Ich hatte die lange Galerie zur Hälfte hinter mich gebracht, als ich hörte, wie sich die Tür öffnete. Ich drehte mich um und sah eine Gestalt, die sich aus der Kapelle stahl. Es war Jane Seymour, und sie rieb sich die Augen. Langsam ging sie bis zu einer Fensterbank und setzte sich. Blinzelnd starrte sie zu Boden.
    Behutsam näherte ich mich ihr. Sie blickte auf, als ich herankam; ihre Augen und ihre Nasenspitze waren gerötet. Sie versuchte zu lächeln, als könne sie es damit unsichtbar werden lassen.
    »Mistress Seymour«, sagte ich und ließ mich – ungebeten – neben ihr nieder. »Kann ich Euch behilflich sein? Seid Ihr betrübt?«
    »Ich bin betrübt«, gab sie zu. »Aber Ihr könnt mir nicht helfen.« Sie wühlte nach einem Taschentuch.
    »Gebt mir doch Gelegenheit«, bat ich, froh darüber, Katharina für den Augenblick vergessen zu können.
    »Ich möchte den Hof verlassen«, platzte sie heraus. »Sobald die Straßen befahrbar sind. Wenn Eure Majestät es mir gnädig gestatten wollen.«
    »Aber warum?«
    »Ich bin für den Hof nicht geschaffen«, antwortete sie. »Es ist hier nicht so, wie ich dachte, und es wird auch nie wieder so sein. Ich glaube, ich dachte – vergebt mir, Eure Majestät –, ich dachte, die Prinzessin-Witwe und Lady Maria könnten eines Tages wieder herkommen. Ich hatte gebetet« – ihre Stimme brach –, »dass sie den Eid ablegen und zurückkehren möchten, und … aber nun soll es niemals sein, und ich kann nicht länger warten. Und ich trauere um die K… – um die Prinzessin Katharina.« Sie konnte ihr Schluchzen nicht länger unterdrücken und ließ das Gesicht in die Hände sinken.
    Ich fühlte, wie mir die Tränen in die Augen schossen, als wollten sie den ihren Gesellschaft leisten. »Ich auch«, gestand ich, und ich wünschte, meine Stimme möchte nicht leise zittern. Ich legte den Arm um sie. »Ich trauere um sie. Und, Jane« – ich zögerte –, »es rührt mich, dass Ihr es wagt, um sie zu trauern und öffentlich um sie zu weinen.«
    Jane war gut, und wie alle guten Menschen unterschätzte sie die Macht des Bösen, das sie umgab.
    Sie nickte. Noch immer rannen ihre Tränen, sosehr sie sich auch bemühte, sie zu unterdrücken.
    »Jane, als meine Mutter starb, hatte ich das Gefühl, ich hätte alle Liebe und Schönheit in meinem Leben verloren«, sagte ich. »Ich kam mir verlassen vor. Schon war Prinzessin Katharina hier, schon gab es einen neuen Menschen voller Güte und Huld in meinem Leben, aber in meinem Schmerz konnte ich sie nicht sehen. Ich fühlte mich verraten, verloren, machtlos. Lasst Euch von Eurem Schmerz nicht so blind machen. Denn so beraubt das Böse uns zwiefach.«
    Meine Worte waren ohne Sinn für sie; das merkte ich.
    »Meine Mutter besaß ein Medaillon, das ich seither bewahrt habe. Ich will es Euch schicken, und ich möchte, dass Ihr es tragt und es als Geschenk meiner Mutter betrachtet. Wollt Ihr das tun? Und sechs Monate warten, ehe Ihr den Hof verlasst? Wenn Ihr es dann immer noch wollt, werde ich Euch nicht aufhalten.« Ich schwieg für einen Augenblick. »Oh, Jane – bis dahin werdet Ihr wahrlich so klug wie eine Schlange sein. Sanft wie eine Taube seid Ihr schon; deshalb braucht Euch der Hof, ob Ihr ihn nun braucht oder nicht.«
    Aber ich meinte nicht den »Hof«. Ich meinte den »König«.

    Katharinas Tod wurde dem Hof offiziell gemeldet und dann in ganz England verkündet. Sie würde in Kimbolton aufgebahrt und dann feierlich in die Abtei von Peterborough überführt werden, wo sie zur letzten Ruhe gebettet werden sollte. Ich ernannte die Trauerleute und befahl dem führenden Adel der Umgebung, den Sarg von Kimbolton nach Peterborough zu begleiten, eine Reise von zwei Tagen bei langsamem Vorankommen. Ich sandte ihnen das notwendige schwarze Tuch für ihre Trauergewänder. Bei Hofe würden zu Katharinas Ehren Trauerfeiern stattfinden. Ich gab dem ganzen Hof den Befehl, daran in Trauerkleidung teilzunehmen.
    Katharinas Brief an mich traf zwei Tage nach der Todesnachricht ein. Ich empfand so etwas wie Angst, als ich ihn öffnete, denn es liegt etwas

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