Ich, Heinrich VIII.
gemeint.
»Um des Bischofs von Rom willen«, erwiderte ich, »der seine Spione allenthalben hat.«
»Es betrübt mich, welche Aufmerksamkeit das ›gute Ende‹ der Prinzessin-Witwe überall erfährt«, erklärte Anne laut. »Man spricht von wenig anderem als ihrem heiligmäßigen Hinscheiden. Schon beten die Leute zu ihr und bitten sie um Fürsprache. Kannst du es dir leisten, dass sie noch eine Heilige erschaffen? Erst Fisher, dann More – und jetzt Katharina?«
Ich winkte den Musikanten, weiterzuspielen, um unser Gespräch zu übertönen.
»Du treibst es zu weit«, sagte ich. Am liebsten hätte ich sie für ihre höhnischen Worte erwürgt.
»Aber es ist wahr«, antwortete sie. »Das Volk hat Fisher und More in seinem Herzen bereits heilig gesprochen – ganz gleich, was Rom verkünden mag –, und Katharina ist auf dem besten Wege. Du solltest mit uns tanzen, um dem entgegenzuwirken, statt ihr in vorderster Reihe die Ehre zu erweisen! Das verlangt deine eigene Sicherheit, ungeachtet deiner Gefühle.«
»Pfui! Du kleidest deine bösartige Schadenfreude in ein politisches Gewand! Aber tanze nur, meine Liebe, tanze, so viel du willst. Die Zeit des Tanzens wird für dich bald vorüber sein.«
Ich wandte mich ab und ließ sie stehen, ganz in Gelb, wie ich sie das erste Mal gesehen hatte.
Der Einbalsamierer zu Kimbolton, der Katharina einer Autopsie unterzog, sandte mir einen geheimen Bericht. Er hatte alle inneren Organe so gesund und normal wie möglich vorgefunden, »mit Ausnahme des Herzens, welches gänzlich schwarz und grässlich anzusehen«. Er hatte es gewaschen, aber es hatte seine Farbe nicht verändert; dann hatte er es aufgeschnitten, und innen hatte es genauso ausgesehen.
»Gift«, sagte ich leise. Ich hatte es die ganze Zeit gewusst. Annes Gift. Dies war der Triumph, den sie mit ihrem gelben Ball gefeiert hatte. Ich fragte mich, ob das Gift, welches sie für diesen Zweck erwählt hatte, tatsächlich gelb gewesen war. Es hätte gut zu ihr gepasst, wenn es so gewesen wäre.
Jetzt blieben nur noch Fitzroy, Maria und ich zu beseitigen. Kühn gemacht von ihrem Erfolg, war sie waghalsig genug, ihre Pläne für Maria einem Brief an Mrs. Shelton, Marias »Wärterin«, anzuvertrauen: »Geht nicht weiter. Wenn ich meinen Sohn habe, wie ich es bald erwarte, werde ich wissen, was aus ihr werden soll.«
Geht nicht weiter. Vorläufig kein Gift mehr? Also war Maria vorerst in Sicherheit.
LXX
S eit langem schon war ein Turnier für das Ende des Monats angesetzt. Ich wollte es jetzt nicht absagen, denn das hätte nun in der Tat den Eindruck erweckt, England trauere um eine Königin, nicht um eine Prinzessin-Witwe. Das Turnier würde zum Zeichen dafür dienen, dass die Trauer um ihren Tod nun zu Ende sei. Überdies war es notwendig, dass ich Gerüchte und Fragen hinsichtlich meiner eigenen Gesundheit, die seit kurzem die Runde machten, im Keim erstickte. Wenn ich in diesem Turnier mitritte, würde ich damit beweisen, dass mir nichts fehlte.
Ich war jetzt vierundvierzig und somit seit einer Weile über das Alter hinaus, da die meisten Männer noch an Turnieren teilnahmen. Brandon hatte sich schon vor mehreren Jahren aus den Schranken zurückgezogen. Aber ich genoss die Herausforderung noch immer, genoss das ganze Ritual, das damit verbunden war, und es widerstrebte mir, damit aufzuhören.
An diesem Nachmittag musste man schon ein geborener Nordmann sein, um Gefallen an der Vorstellung zu finden, eine kalte Eisenrüstung anzulegen. Es war ein strahlender, blau-weißer Tag, an dem die Umrisse aller Dinge besonders scharf aussahen. Die Luft erschien dünner und härter als sonst, und selbst der Klang der Fanfaren und der Glöckchen am Zaumzeug der Pferde war spröde wie Eiszapfen. Die Turnierfarben, kühn und rein, waren ein Heroldsruf gegen den weißen Schnee, auf dem die Herausforderer hinausritten. Heute würde das Klirren von Metall gegen Metall ein kaltes Echo werfen, und Funken würden sprühen wie ein Sternenregen.
Meinem Bein ging es nicht gut. Die Entzündung hatte sich so weit verschlimmert, dass es schwierig wurde, zu gehen, ohne mein Leiden offenbar werden zu lassen. Zu Pferde zu sitzen war nicht leichter; es erforderte den Einsatz anderer Muskeln und drückte so auf andere Weise auf das Geschwür, aber es war nicht minder schmerzhaft.
Ich ritt hinaus und umrundete zweimal die Schranken, gewappnet cap-à-pie, wie man sagt, und mit einem Wams aus Silberbrokat angetan. Dreißig Mann Fußvolk in Weiß
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