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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Gott mit seinen Gaben schon bei einer Tochter so großzügig war, wie verschwenderisch würde er dann erst einen Sohn ausstatten.
    Während alledem wechselten Anne und ich kein privates oder persönliches Wort. Wir waren jetzt Feinde, im Duell miteinander verhaftet: ein Duell von Verstand und Rücksichtslosigkeit, dessen Regeln beiden Parteien bekannt waren.

LXIX
    K atharina lag im Sterben. Ihre Krankheit hatte den Bereich bloßer Krankheit, zu dem auch die Vorstellung von Heilung gehörte, verlassen. Sie war »todkrank«. Am Neujahrstag 1536 erhielt ich Nachricht von ihrem Arzt. »Atmung mühsam«, »fahle Gesichtsfarbe«, »seit zwei Wochen unfähig, Nahrung aufzunehmen«, »nicht die Kraft, das Bett zu verlassen«, »Herzschlag unregelmäßig«, schrieb Dr. de la Sa, und ich wusste, was es bedeutete. Ich gab Chapuys die Erlaubnis, sie zu besuchen – begleitet von Crums »Gehilfen«, Stephen Vaughn.
    Eine Woche lang, während die ersten Tage des neuen Jahres ins Land gingen, beherbergte Katharina den Engel des Todes in ihrem Privatgemach zu Kimbolton. Und sie empfing auch Chapuys, der am zweiten Januar anlangte.
    Sie versuchte, den kaiserlichen Gesandten feierlich zu empfangen – wie die Königin, die sie in ihrer Einbildung immer noch war. Sie öffnete ihre Gemächer für Bedingfield und Chamberlayn, ihre »Kerkermeister«, die sie nicht mehr zu Gesicht bekommen hatten, seit sie sich in königlichem Stolz eingeschlossen hatte, und ließ sie an dem Ritual teilnehmen. Alle ihre getreuen Diener sowie ihre Bewacher hatten anzutreten und vor dem Krankenbett Spalier zu stehen, während Chapuys sich auf den Knien näherte. Katharina streckte ihm ihre Hand entgegen und erlaubte ihm, sie zu küssen, und dabei sagte sie: »Ich kann nun in Euren Armen sterben, nicht verlassen wie ein ausgesetztes Tier.«
    Chapuys tischte ihr sodann ein Bündel von Lügen auf (ich hätte die prompte Bezahlung sämtlicher rückständigen Renten zugesagt, und sobald es ihr besser gehe, dürfe sie jedes ihr genehme Schloss im Reich beziehen), und er erinnerte sie daran, dass es ihre Pflicht sei, zu genesen – da »der Frieden, die Wohlfahrt und die Einheit des ganzen Christentums« davon abhing, wie er behauptete.
    Katharina entließ ihn daraufhin feierlich und gestattete auch allen Zeugen, Wächtern und Spitzeln, sich zu entfernen. Als alle (wie sie glaubte) sich zurückgezogen hatten, sandte sie Chapuys heimlich die Aufforderung, zurückzukommen.
    Selbst die fromme Katharina war der Doppelzüngigkeit mächtig – ein Charakterzug, den keiner ihrer Bewunderer jemals zur Kenntnis nimmt.
    Was sie erörterten, vermochte Stephen Vaughn nicht sicher festzustellen. Aber sie besprachen sich stundenlang, bis tief in die Nacht.
    Chapuys blieb drei Tage, und Katharina kam während seines Aufenthalts wieder zu Kräften. Sie vermochte zu essen, und sie behielt die Speisen bei sich. Ihre Stimmung besserte sich zusehends, als ein weiteres Geschenk sie erreichte: Lady Willoughby, die Maria de Salinas ihrer Jugend. Sie hatte gehört, dass Katharina im Sterben lag, und war, ohne sich um irgendeine Genehmigung zu bekümmern, über gefährliche, tückische Winterstraßen nach Kimbolton gereist. Am Abend vor Chapuys Abreise, gegen Mitternacht, war sie eingetroffen; sie hatte auf der anderen Seite des Schlossgrabens gestanden und verlangt, dass Bedingfield sie einlasse.
    »Das kann ich nicht«, antwortete er. »Ich habe keinen Befehl dazu erhalten.«
    »Aber Ihr müsst es«, versetzte sie. »Ich habe mich in Gefahr begeben, indem ich hierher kam. Ich bin gestürzt, und fast wäre ich Wegelagerern in die Hände gefallen. Ich bin eine Edelfrau, und ich werde meine Person nicht weiter in Gefahr bringen, ganz ungeachtet Eurer Befehle. Lasst mich sofort ein!« Ihre zarte Stimme muss hallend über das schwarze, eisige Wasser des Schlossgrabens geklungen haben.
    Bedingfield, der verblüffte Kavalier, ließ die Zugbrücke herunter und gewährte ihr Einlass.
    Chapuys reiste ab und ließ Katharina in Marias fürsorglichen Händen zurück. Es schien ihr viel besser zu gehen. Sie saß im Bett, kämmte und frisierte ihr Haar, plauderte lange mit ihrer Kindheitsfreundin. Aber mitten in der Nacht kehrten Übelkeit und Schmerzen vierfach zurück. Man schickte nach ihrem Beichtvater, und der sah sogleich, dass sie den Morgen wahrscheinlich nicht mehr erleben würde; vor dem Morgengrauen aber war es nicht erlaubt, die Messe zu lesen. Das kanonische Recht gewährte bei drohendem

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