Ich, Heinrich VIII.
und Silber begleiteten mich. Nun konnte das eigentliche Stechen beginnen. Etwa zwanzig waren wir, die gegeneinander antraten.
Anders als bei den Rittern in den Tagen König Arthurs, erschien kein »Schwarzer Herausforderer« oder »Unbekannter Grüner Ritter«, um die Veranstaltung zu beleben. Es hatte Zeiten gegeben, vor langer Zeit, da war ich selbst als verkleideter Herausforderer geritten, aber heutzutage tat dies kein Mensch mehr. Schade.
Mein Schlachtross scharrte mit den Hufen, schnaubte und blies seinen Atem in dicken weißen Wolken aus den Nüstern. Jenseits der Schranken, auf der anderen Seite des Turnierplatzes, harrte mein Gegner. Er trug die Farben der Marquise von Exeter. Es war also mein Cousin Courtenay, der mir gegenüberstand (es sei denn, seine Gemahlin hätte sich einen äußerst dreisten Liebhaber zugelegt). Er war ein guter Kämpfer.
Ich gab meinem Hengst das Zeichen; er sprang durch die klare, kalte Luft, und noch unter meinem eisernen Helm dröhnte das Donnern seiner Hufe schwer, schwer, schwer auf dem gefrorenen Boden. Durch die Schlitzreihe in meinem Visier sah ich den Marquis auf mich zukommen; die Sehschlitze umrahmten ihn, sodass er alles war, was ich sehen konnte. Ich hob die Lanze und senkte das Ende in den großen, gewölbten Napf an meinem Brustpanzer, um ihr Halt zu geben. Dann stemmte ich mich in die Sporen und zielte.
Etwas prallte so hart gegen mich, dass ich gelähmt war, gänzlich außerstande, mich noch zu rühren. Ich sah den Himmel; er kreiste über mir wie das Federspiel eines Falkners, schneller und schneller; weiße und blaue Fetzen jagten einander, und die Luft war nicht mehr kalt, sondern sanft, und sie duftete nach Rosen …
Ich fühlte Pelz unter meiner Wange und hörte Stimmen: leise, murmelnde Stimmen, wie Janes Bienen. Ich blieb still liegen und lauschte, denn ich hatte nicht die Kraft zu irgendetwas anderem. Es war beruhigend, hier zu liegen und die Stimmen über mich hinwegspülen zu lassen, mir Zeit mit dem Erwachen zu nehmen, ohne Kammerdiener, die mir planmäßig zur Hand gingen.
»… können es ihr nicht verheimlichen. Auch ihnen nicht.« Ich fragte mich, von wem sie sprechen mochten. Das Lauschen ist ein gefährlicher Zeitvertreib, und Erwachsene wagen ihn leichter noch als Kinder.
»Ich habe nach Cranmer gesandt. Ich nehme es auf meine Kappe.«
»Ihr?«
»Er wird die Sterbesakramente brauchen. Ihn ohne sie hinscheiden zu lassen, wäre Mord.«
»Wieso? Weil er jetzt im Stande der Todsünde lebt?«
»Jeder Mensch hat etwas zu beichten, und jeder muss für irgendetwas um Vergebung bitten. Selbst der heiligmäßige More und Katharina brauchten die Beichte.«
»Um wie viel mehr dann er, he?«
»Was Ihr redet, ist Verrat!«
Schweigen.
»Nein, so meinte ich es nicht. Aber er hat die Seelen des Reiches auf seiner Seele. More und Katharina stand es frei, sich ihren eigenen Seelen zu widmen und sie zu hätscheln.«
Wieso konnte ich die Leute nicht erkennen? Ihre Stimmen waren namenlos.
»Ich habe es der Königin gesagt.« Endlich eine bekannte Stimme. Der Herzog von Norfolk.
»Was waren Eure Worte?«
»Der König sei bei einem Tjost aus dem Sattel gehoben worden. Sein Ross sei auf ihn gestürzt, und da er nun seit drei Stunden bewusstlos und ohne Atmung sei, könne man nicht mehr hoffen, dass er zu sich komme.«
»Und was hat sie gesagt?«
Sie hat frohlockt, antwortete ich ihnen lautlos. Sie hat frohlockt, weil ihr Zauber und ihre Hexerei stark genug waren, um dies ins Werk zu setzen.
»Sie – hat gelacht. Aber es ist eine Angewohnheit von ihr, zu lachen, wenn sie überrascht ist«, erklärte ihr Onkel.
Eine kurze Weile darauf sprach ich wieder, und jetzt waren sie überrascht, die so voreilig getrauert hatten. Sie wirkten ehrlich beglückt, mich wiederzuhaben. Ehrlich oder heuchlerisch?
Will:
Ehrlich. Heinrich war schon so lange König, dass niemand sich an etwas anderes erinnern konnte, und er hatte sein Volk in ein verwirrendes Land hinausgeführt, wo nur er eine Karte zu besitzen schien, mit der sie wieder auf vertrauten Boden würden zurückfinden können. Sie waren entsetzt bei dem Gedanken, er könnte sie in dieser Gegend allein lassen. Dies war das erste Mal, dass der Schatten seines Todes über ihre Herzen gestrichen war; sie waren es gewohnt, ihn als unzerstörbar und ewig zu betrachten.
Heinrich VIII.:
Ich genas – diskret natürlich: Mein Rasten ließ ich wie »Sinnen« erscheinen, meine leichte Kost galt als »Fastenspeise«,
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