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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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dennoch für schuldig befunden werden, so sage ich, der ist nicht Euer Gnaden getreuer Diener und Untertan, der nicht will, dass ihre Untat bestraft werde ohne Gnade.
    Auch Anne griff zur Feder, um mich zu bereden. Aber der Brief bezichtigte giftig mich des Versäumnisses, statt sich ihren eigenen Vergehen zu widmen:
    Euer Gnaden Missfallen und meine Kerkerhaft sind mir so unbegreiflich, dass ich gar nicht weiß, was ich schreiben oder wofür ich um Vergebung bitten soll. Ihr aber sendet mir einen, von dem Ihr wisst, dass er seit jeher mein erklärter Feind; doch kaum hatte ich die Nachricht von ihm erhalten, so verstand ich doch, was Euer Gnaden meinen, und wenn es, wie Ihr sagt, mir zum Heil gereicht, die Wahrheit zu bekennen, so will ich bereitwillig und pflichtschuldig tun, wie Ihr befehlt.
    Indes dürfen Euer Gnaden nicht glauben, Euer armes Weib könnte sich je dazu verleiten lassen, ein Vergehen zu gestehen, wo es nicht einmal in Gedanken je stattgefunden. Und, um Euch die Wahrheit zu sagen, niemals hatte ein Fürst ein Ehegespons, welches loyaler in allen Pflichten und in wahrer Zuneigung war, als Ihr gefunden in Anne Boleyn – ein Name und Stand übrigens, mit dem ich mich willig hätte begnügen mögen, so es Gott und Euer Gnaden gefallen hätte. Niemals hätte ich mich in meinem Überschwang ob der empfangenen Königinwürde so weit vergessen, dass ich solche Veränderung, wie ich nun gefunden, auch gesucht hätte; denn das Fundament solcher Bevorzugung ist gerade so sicher wie Euer Gnaden Vorliebe, und die geringste Änderung möchte (das wusste ich) hinreichend und genügend sein, diese Vorliebe auf einen anderen Gegenstand zu lenken.
    Ihr habt mich aus niederem Stande zu Eurer Königin und Gefährtin erwählt, weit über mein Verdienst und mein Verlangen; so Ihr mich damals solcher Ehre für würdig erachtet, Euer Gnaden, lasset nun nicht zu, dass eine flüchtige Laune oder schlechter Rat meiner Feinde Euch Anlass geben, Eure fürstliche Gunst von mir abzuziehen; und erlaubet auch nicht, dass die Schande – die unwürdige Schande – der Herzensuntreue gegen Euer Gnaden je einen so scheußlichen Makel auf mich und auf die Prinzessin und Eure Tochter Elisabeth werfe,
    Stellt mich vor ein Gericht, guter König, aber gebt mir ein rechtmäßig Verfahren und lasst nicht meine geschworenen Feinde meine Richter sein; ja, macht mir offen den Prozess, denn meine Wahrheit fürchtet nicht die öffentliche Schmach; dann sollt Ihr schon sehen, wie meine Unschuld sich erweist, wie Euer Verdacht und Euer Gewissen beruhigt, wie den Schmähungen und Verleumdungen der Welt Einhalt wird geboten, oder wie meine Schuld offen zutage tritt. Sodass es Euer Gnaden ungeachtet dessen, was Gott und Ihr selbst zu beschließen geruhen, freisteht vor Gott und den Menschen, mir als einem untreuen Weibe nicht nur eine gebührende Strafe widerfahren zu lassen, sondern auch Eurer Zuneigung zu jener anderen, Mistress Seymour, zu folgen, um deretwillen ich nun bin, wo ich bin; und deren Namen ich schon seit einer Weile hätte benennen können: – Euer Gnaden sind nicht unkundig meines Argwohnes in diesem Falle.
    Aber wenn Ihr längst beschlossen, was aus mir werden soll, und dass nicht nur mein Tod, sondern infame Verleumdung notwendig sei, Euch in den Genuss des erstrebten Glückes zu setzen, so bitte ich Gott, dass Er Euch die große Sünde, die darin liegt, verzeihen möge, und desgleichen meinen Feinden, die Euch zur Hand gegangen, und dass er Euch nicht gleich zur Verantwortung für diese unfürstliche und grausame Misshandlung gegen mich ziehe bei seinem Gericht, vor welchem Ihr und ich schon bald erscheinen werden, und ich zweifle nicht (was immer die Welt von mir denken mag), dass vor diesem Gericht meine Unschuld wird erwiesen und offen gelegt werden.
    Meine letzte und einzige Bitte soll aber sein: Lasset nur mich selbst die Bürde Eurer Ungnade tragen, und richtet sie nicht auch gegen die unschuldigen Seelen jener armen Herren, welche, wie ich höre, ebenfalls im Kerker schmachten um meinetwillen.
    Wenn ich jemals Gnade in Euren Augen gefunden, und wenn der Name Anne Boleyn Eurem Ohr je wohlgefällig war, so erfüllt mir diese Bitte, und ich will davon ablassen, Euer Gnaden weiter zur Last zu fallen, und ich will allen Ernstes zur Heiligen Dreifaltigkeit beten, ein schützend Hand über Euer Gnaden zu halten und Euch in all Eurem Tun zu leiten.
    Aus meinem trübseligen Kerker im Tower, am 6. des Mai.
    Anne Boleyn
    Wenn der

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