Ich, Heinrich VIII.
aus der Ausstellung ihrer kostbaren »Reliquie« einen hübschen Gewinn gezogen.
»Schändlich«, sagte ich, eher betrübt als erzürnt.
Ich wandte mich dem nächsten der beschlagnahmten Gegenstände zu. Es war eine marmorne Jungfrau, die »echte Tränen« weinte und die (durch Geld) veranlasst werden konnte, den Schmerz des Bittenden mit ihm zu teilen. Ich drehte sie herum. Hinten am Kopf sah ich eine feine Linie, die auf eine Öffnung hindeutete. Ich drückte auf den Hals, und ein Stück Stein schob sich heraus. Ich zog es ganz hervor und stellte fest, dass der Kopf hohl war. Drinnen befand sich ein poröser Behälter, gefüllt mit Salzwasser, das just in der richtigen Geschwindigkeit durch feine Kanäle zu den Augen der Jungfrau sickern konnte. Es war ein genialisches Machwerk. Und es musste nur einmal in der Woche gefüllt werden.
Und überall im Lande fanden sich ähnliche Versionen dieser berühmten Betrügereien. Ohne dass sich korrupte Mönche dazu verschworen, konnten sie nicht aufrechterhalten werden. Aber wie konnte sich jemand zum Nachfolger Christi erklären und dann die gleichen Täuschungen verüben wie die Priester der Isis oder die Kanaaniter?
Das Parlament hatte das Gesetz zur Schließung der kleineren Klöster verabschiedet. Es begann mit den Worten: »Insofern als handfeste Sünde wie auch böses, wollüstiges und frevelhaftes Leben alltäglicher Brauch sind in kleinen Abteien …« Es fußte auf zahlreichen Berichten: In Garadon gebe es fünf Sodomiten, »einer davon mit zehn Knaben«; zu Selby habe einer der Mönche geschlechtliche Beziehungen zu »fünf oder sechs verheirateten Frauen« gepflogen, die gekommen seien, um sich den Segen des in dem Kloster bewahrten »Gürtels der Jungfrau« zu holen, auf dass ihnen im Wochenbett kein Leid widerfahre; Bruder Jackson zu Warter sei schuldig »des Inzests mit einer Nonne«; in Calder zeige ein gewisser Matthew Ponsonby »ganz besondere Sittenlosigkeit«. In der Priorei Bath – wo der Prior versucht hatte, Cromwell zu kaufen, indem er ihm eine Rotte irischer Wolfshunde schickte – waren die Mönche »verderbter als irgendwer anders in ihrem lasterhaften Treiben mit beiderlei Geschlecht«. In Lewes hatte der Prior »acht Huren«; das Kloster war »ein Hurenhaus, und es finden sich gar unnatürliche Laster, vor allem bei dem Subprior, wie es das Geständnis eines hübschen jungen Mönches vermuten lässt«.
Eines nach dem anderen wurden die Häuser geschlossen. Solche Mönche, die eine echte Berufung verspürten, wurden in größere und strengere Klöster verlegt. Der Rest musste fortziehen und sich seinen Lebensunterhalt anderswo verdienen. Der Klosterbesitz wurde verkauft, der Erlös fiel der Krone zu. Die Reliquien wurden zu mir geschickt, damit ich sie begutachten konnte. Es war eine traurige Aufgabe.
Das Mönchstum hatte begonnen als lautere Blüte des Spiritualismus. Der große Begründer des Gemeinschaftslebens in Christo (denn bis dahin hatte es nur einsam in der Wüste hausende christliche Einsiedler gegeben) war der heilige Benedikt. Er hielt es für besser, wenn Menschen mit anderen Menschen zusammenlebten, und so sammelte er Eremiten um sich und schrieb Anweisungen für sie, die er »die Regel« nannte und in deren Befolgung sie ihren Spiritualismus tatsächlich stärken konnten, indem sie in einer von heiligen Regeln beherrschten Gemeinschaft lebten. In seinen Augen war es das Beste, wenn man seine Zeit zwischen Gebet, Studium und körperlicher Arbeit aufteilte.
Mit der Zeit setzten sich auch andere Auslegungen der Regel durch. Die Zisterzienser legten das Gewicht auf die Arbeit und die Abgeschiedenheit von aller Zivilisation. Die Cluniazenser betonten die verschlungene Schönheit der Gottesverehrung. Die Kartäuser suchten das Gebet in der Einsamkeit. Die »predigenden Brüder« – Dominikaner und Franziskaner – schätzten die Arbeit mit anderen Menschen und eine makellose Gelehrsamkeit.
Unserer innersten Neigung zufolge scheint sich unser bestes Trachten zunächst in Eitelkeit und dann in regelrechte Sünde zu verkehren (Turmbau zu Babel?). Die Geschichte der Mönche war im Grunde eine Zusammenfassung der Geschichte der Menschheit. Nun fiel es mir zu, sie aus dem Garten Eden zu vertreiben. Gleichwohl war es eine Pflicht, der ich nur widerstrebend nachkam, zumal da Jane wie auch Maria ihr Missfallen deutlich erkennen ließen. Ach, aber sie hatten auch das Innere der Statue nicht gesehen …
Das klösterliche Land wurde
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