Ich, Heinrich VIII.
ist, jederzeit zu wissen, was die Menschen denken – aber es gab Anzeichen. Da war der Priester Robert Feron, der sagte: »Seit das Reich England besteht, hat es keinen größeren Räuber am Commonwealth gegeben denn unseren König. Er rühmet sich höher als alle christlichen Könige und ist doch nur aufgeblasen von eitlem Prunk. Sein Leben ist das einer stinkenden Sau; und er hat auch viele Weiber am Hofe geschändet.«
Der Prior der Abtei Syon hatte erklärt: »Ehe nicht der König und die Fürsten des Reiches am Schlafitt gepackt und, wie man sagt, bei den Ohren gezogen sind, wird man in England nicht mehr glücklich leben können.« Und dann hatte er hinzugefügt: »Der Rest der Christenheit steht auf meiner Seite. Ich wage gar zu behaupten, das ganze Königreich … denn ich bin sicher, der größere Teil ist unserer Meinung.«
Im ganzen Reich machte eine Unzahl von Prophezeiungen die Runde. »Der weiße Hase wird den weißen Greyhound zwischen die Wurzeln einer Eiche treiben, und der König wird aus England vertrieben und vor den Toren von Paris getötet werden.« »Es wird keine Könige mehr geben in England, und eine so große Bresche im Westen, dass alle Dornen des Reiches nicht genügen werden, sie zu stopfen.« »Von Westen wird einer kommen, der hat den Helm voller Schnee, und er wird ganz England den Frieden bringen.«
Überdies gab es Gemurre und Äußerungen, die an Verrat grenzten. In Eynsham, Oxford, hatte ein gewisser John Hill behauptet, Norris und Weston seien »nur zum Vergnügen umgebracht« worden, und er hoffe nur, dereinst »den König der Schotten als König von England zu sehen«. Der Landvogt von Bampton hoffte, der schottische König möge »die Blume Englands tragen«. Der Pfarrer von Hornchurch in Hampshire hatte erklärt: »Der König und sein Rat hatten mit Absicht und List einen Weg gefunden, wie sie alle Geistlichen niedermachen wollten; diese aber sträubten sich nach Kräften, welches ihr gutes Recht; und der König vermochte nichts gegen sie, noch sein Rat.«
Ein Mann aus Sussex hatte auf die Geschichte von meinem Sturz in den Schranken bemerkt: »Es wäre besser, er hätte sich den Hals gebrochen«; ein Lehrer in Cambridge nannte mich einen »Maulwurf, den man sollt erschlagen«, seine Studenten sagten, ich sei ein »Tyrann, grausamer denn Nero« und eine »Bestie und schlimmer als eine Bestie«.
Crums Agenten berichteten von anderen Äußerungen: »Kardinal Wolsey wäre ein ehrlicher Mann gewesen, wenn er einen ehrlichen Herrn gehabt hätte«; »Der König ist ein Narr, und der Lord Siegelbewahrer ist auch einer«; »Unser König braucht nichts als einen Apfel und ein hübsches Weib zum Kosen«. Und dann gab es noch den genauen Bericht eines Freisassen, demzufolge ich einmal in der Gegend von Eltham geritten sei, seine Frau erblickt, verführt und mit in mein Bett genommen hätte.
Es war sicher wahr, was der Mann aus Kent gesagt hatte: »Wenn der König wüsste, was seine Untertanen denken, es würde ihn im Herzen erbeben lassen.« Die Kostproben, die man mir gegeben hatte, genügten dazu schon. Mein eigener unsteter und jämmerlicher Zustand, der von den Anfängen meiner »Großen Sache« bis zu ihrem Ende gedauert hatte, war auch auf sie übergegangen. Meine neu gewonnene Zufriedenheit würde sich ebenso übertragen, aber das würde Zeit kosten.
Ich hatte meinen Sohn verloren, aber ich würde der Hexe ein Schnippchen schlagen: Meine Tochter würde sie nicht bekommen. Die Drohungen, mit denen Cromwell sie beschwor, ihre Klagen fallen zu lassen, Chapuys’ Rat und der letzten Endes unzulängliche Einsatz des Kaisers für ihre Sache veranlassten Maria schließlich, nachzugeben. Sie schrieb den von Cromwell »vorgeschlagenen« Brief ab, in dem sie zugab, dass die Ehe ihrer Mutter mit mir blutschänderisch gewesen sei; überdies kündigte sie dem Papst die Gefolgschaft auf und erkannte mich als Oberstes Haupt der Kirche von England und als ihren geistlichen wie weltlichen Vater an. Als ich den Brief erhielt, dankte ich Gott dafür. Jetzt war der Weg für unsere Versöhnung frei. Ich würde Maria zurückbekommen!
Theologen sagen, die Geschichte vom verlorenen Sohn sei das schönste und zugleich kraftvollste Gleichnis in der Bibel. Ich wusste jetzt, wie dem Vater zumute gewesen war. Oder war ich anmaßend? Ich wollte das Gleichnis noch einmal lesen, und zwar in der neuen Übersetzung, die demnächst unter meiner Schirmherrschaft erscheinen sollte.
Schon jetzt trug sie den
Weitere Kostenlose Bücher