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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Becket, schuldig in allen Punkten der Anlage. Schuldig des verwerflichen Verrats gegen deinen von Gott eingesetzten obersten Herrn. Schuldig insofern, als dein Tod wahrheitswidrig als Märtyrertod bezeichnet wurde und der Bischof von Rom dich heilig sprach, denn du warst Verfechter einer angemaßten Macht und die Verkörperung klerikaler Unbilligkeit. Nichts findet sich in deinem Leben und in deinem äußeren Verhalten, was rechtfertigte, dich einen Heiligen zu nennen; wohl aber möchtest du als Rebell und Verräter deines Fürsten gelten.«
    Ich atmete tief in der dünnen Luft des geöffneten Schreins, ehe ich fortfuhr.
    »Es ergeht somit das folgende Urteil: Fürderhin sollst du nur Bischof Becket heißen, und jegliche Erwähnung deiner Person in allgemeinen Gebetbüchern, Heiligenverzeichnissen und dergleichen mehr ist zu streichen. Und wir verurteilen dich hiermit, als Verräter verbrannt zu werden, und deine Asche soll man in alle Winde verstreuen.«
    Ich nickte meiner bedingungslos gehorsamen Garde zu, und die Männer traten vor, beugten sich über den Sarg und machten sich daran, die Gebeine in den Falten ihrer Mäntel zu bergen. Wir schauten zu, wie sie das klobige Bündel – eine Ecke der Mitra schaute daraus hervor – in eine neue Holzkiste legten, die sie dann hinaustrugen.
    Ein lastendes Gefühl legte sich auf die Gesellschaft; es lastete schwerer als zuvor, da Beckets Überreste physisch zugegen gewesen waren. Wir alle hörten das saubere Klicken der Absätze meiner Garde, als diese mit der Kiste durch das lang gezogene Kirchenschiff davonging.
    »Es waren, wie ich schon sagte, sechsundzwanzig Karrenladungen Goldes, welches die frevelhafte Behausung der jämmerlichen Überreste Beckets bedeckte. Ich denke, eine achtel Karrenladung für jeden, der heute mitgeholfen hat, in dieser Sache ein gerechtes Urteil zu finden, wäre ein höchst angemessenes Entgelt«, verkündete ich.
    Damit waren sie entlassen. Aber trotz des neu gewonnenen Reichtums zeigten sie keinerlei Überschwang, als sie sich nun verabschiedeten und im Halbdunkel der Kathedrale verschwanden.
    Nur Cromwell blieb zurück; er stand unmittelbar auf der anderen Seite des leeren Sarkophags.
    »Alte Knochen riechen schlecht«, stellte ich schließlich fest. »Dass ein frischer Leichnam stinkt, hätte ich erwartet. Oder einer, der im Wasser gelegen hat. Aber der hier war sauber und trocken.« Verwundert schüttelte ich den Kopf. Der eigentümliche Geruch – von jahrhundertelang eingeschlossenem, brütendem Tod – war stärker denn je.
    »Es ist vollbracht«, erklärte ich fröhlich und wedelte mit der Hand – mit der, an welcher der Becket-Ring steckte.
    Rede, Crum. Sag etwas, das dieses merkwürdige Gefühl in mir vertreibt … ein Gefühl, das ich nicht mehr hatte, seit … ich weiß nicht, seit wann …
    »Euer Gnaden, dies muss aufhören«, sagte Cromwell nüchtern. Der Kienspan beleuchtete sein Gesicht nur halb, aber seine Worte waren klar wie gemeißelt.
    Sie sagten, was ich längst wusste.
    »Ich verstehe, dass dies eine politische Geste war, die den langweiligen Vorgängen im Zusammenhang mit der Entfernung und Registrierung der vulgären Papistenschreine ein wenig Kurzweil hinzufügen sollte.« Er benutzte die schmeichelhafteste Auslegung, wenn er davon sprach. »Ich verstehe das, aber ich befürchte, das Volk wird es missverstehen, und Eure Feinde werden es ausnutzen. Es ist Euch bewusst, Euer Gnaden, dass manche bereits Eure geistige Gesundheit in Zweifel ziehen? Euer Verhalten in letzter Zeit spielt Euren eingeschworenen Feinden geradewegs in die Hände. Ihr seid ein Verräter gegen Euch selbst. Denn das Gesetz sagt, Verrat bedeutet, ›dem Feind Hilfe und Trost zu spenden‹, und eben dies tut Ihr – durch Eure mangelhafte Selbstbeherrschung und durch Euer Handeln, welches unfreundlichen, ja, böswilligen Deutungen offen steht. Verzeiht mir, Euer Gnaden …« Die Kühnheit seiner Worte erfüllte ihn mit jähem Schrecken.
    »Keine Angst, Crum«, sagte ich. »Es ist zu Ende. Es ist vorbei.«
    Er konnte nicht wissen, dass mir alles schal geworden war, dass ich meiner Rebellion müde geworden war, dass mich mein kindisches Heulen gegen Gott langweilte, der anscheinend – und das war so demütigend wie nichts sonst – überhaupt keine Notiz davon genommen hatte. Jedenfalls hatte er keine erkennbare Antwort gegeben.

LXXXIII
    W as hatte das vergangene Jahr mit seiner besinnungslosen, schmerzerfüllten Raserei mir eingebracht? Ich war

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