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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Verrats auf das Schafott steigen. Neville und Carew – die damals auf mich warteten und mit mir spielen wollten, als ich von deinem Krankenbett kam. Die vor meinem geistigen Auge standen, als ich dir widersprach.«
    Jedes meiner Worte verließ als kleine Wolke meinen Mund.
    »Es ist nicht annähernd so einsam, wie ich gefürchtet hatte«, fuhr ich nach einer Weile fort. »Und die Einsamkeit dient als Vorwand für allerlei Vergnügungen. Das hast du die ganze Zeit gewusst! Warum hast du es mir nicht gesagt? Hätte ich es auch gewusst, ich hätte mich ihr umso eher hingegeben.«
    Ich schaute ihm in sein goldenes Gesicht, das solch heitere Gelassenheit zeigte. Er ruhte in künstlerischem Triumph.
    »Der letzte deiner Feinde stirbt am heutigen Tag«, versicherte ich ihm. »Die Weiße Rose ist gepflückt.«
    Tudor stand an der Spitze. Es würde keine Prätendenten mehr geben. Und ich hatte für den notwendigen Erben gesorgt.
    Mein Körper bereitete mir Schmerzen. Ich hatte nie gut stehen können, und meine Beine fingen an, wehzutun. Ich musste mich setzen. Vater würde das verstehen. Er und ich, wir dachten jetzt gleich.

LXXXII
    D as Volk peitschte sich zu einer Raserei des Plünderns und Zerstörens auf, und alles unter dem Deckmantel der Religion. Erst hatten die Leute erzitternd mit angesehen, wie ihre Reliquien aus den kleinen lokalen Schreinen gerissen und dem Scheiterhaufen überantwortet wurden. Dann begann das Entzücken über den Scheiterhaufen sie zu verzehren. Es liegt etwas so tief Befriedigendes im Zerstören, Zertrampeln, Töten … Schon bald übertraf das Volk die königlichen Kommissare, wo es darum ging, die Reliquien zu ergreifen und zu schänden.
    Die Bürger der Stadt Maidstone nahmen sich das uralte Kreuz von Boxley und schändeten es auf dem Marktplatz; in Kirkstall verbrannten sie den Gürtel des hl. Bernhard, der den Wöchnerinnen helfen sollte, und sie zerrissen den Wimpel von St. Ethelred, der bei Halsbeschwerden Linderung schuf.
    Aber das alles waren unbedeutende Reliquien und schmucklose Schreine. Was das gemeine Volk auf seiner Ebene tat, würde ich auf der meinen tun. Ich würde unter großem Gepränge die drei ältesten und heiligsten Schreine und Wallfahrtsziele Englands zerschlagen und restlos vernichten: den des hl. Cuthbert in Durham, den Unserer Lieben Frau von Walsingham sowie den heiligsten (und mit den meisten Juwelen verzierten) von allen, nämlich den des hl. Thomas Becket in Canterbury.
    Des Heiligen? Der Mann war so heilig wie Thomas More oder wie Bischof Fisher! Sie alle waren nichts als schmutzige und abscheuliche Verräter und Rebellen gegen ihren König gewesen! Becket hatte damals einfach deshalb den Sieg davongetragen, weil der Papst es vermocht hatte, seinen schwächlichen König einzuschüchtern.
    Das war damals gewesen. Aber es gab keinen Grund, weshalb … keinen wie immer gearteten Grund … ein Verbrecher konnte noch lange nach der Tat zur Rechenschaft gezogen werden …
    »Zerlegt den Schrein Beckets vollständig«, befahl ich meinen Arbeitern, die sowohl nach ihrer Fertigkeit als auch nach ihrer Ehrlichkeit ausgewählt worden waren. »Das Gold soll in verstärkte Holzkarren gelegt werden. Die Edelsteine sind zu sortieren und zu registrieren und in verschlossenen Koffern zu transportieren. Was den inneren Sarg angeht, so lasst ihn, wie er ist, wenn ihr erst die goldene Umhüllung entfernt habt, die ihn umgibt. Oh, den Deckel löst, aber öffnet ihn nicht.« Mehr erklärte ich nicht.
    Als sie nach Canterbury abgereist waren, setzte ich mich hin und verfasste einen ungewöhnlichen Aufruf an meinen Geheimen Rat und an die hochrangigen Mitglieder der Konvokation.
    Wir standen auf dem Opus Alexandrinum, dem römisch inspirierten, mit verschlungenen Einlegearbeiten verzierten bunten Marmorboden, der Beckets Grabstätte hinter dem Hochaltar der Kathedrale von Canterbury umgab. Wir waren an die vierzig, alles in allem – vom Erzbischof von Canterbury, Thomas Cranmer, und seinen niederen Bischöfen bis zu meinem Vizeregenten für Geistliche Angelegenheiten, Cromwell, und seinen Ratsherren.
    Sie umstanden den eisernen Kasten auf dem rosafarbenen, mit marmornen Arkaden verzierten Sockel, der die »heiligen« Überreste von Thomas à Becket enthielt. Der bemalte Holzdeckel war gelöst, sodass man ihn aufheben konnte.
    Ansonsten war der Schrein kahl. Der Baldachin von goldenen Netzen, der unter der Last der Pilgeropfer – Spangen, Ringe, Juwelen – durchgehangen hatte, war

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