Ich, Heinrich VIII.
gezwungen, furchtlos die Augen zu öffnen und mich den Ergebnissen zu stellen.
Ich war jedenfalls reicher nach der Plünderung und Beschlagnahme der klösterlichen und kirchlichen Besitztümer. Klostergeschirr und Juwelen und Manuskripte und Gewänder schmückten jetzt meine Schlösser, und ich erkaufte mir die Loyalität und Unterstützung der Edelleute, denen ich Klosterland verkaufte oder verpachtete, womit ich dafür sorgte, dass sie ein handfestes Interesse daran hatten, nicht unter die Fittiche des Papstes zurückzukehren. Nichts eignete sich so gut wie Grundbesitz und Geld, wenn man die politischen Neigungen eines Menschen verändern wollte.
Draußen in der Welt war ich isoliert. Gemeinsam mit Hiob konnte ich klagen: Denn was mich mit großer Furcht erfüllte, ist über mich gekommen; wovor mir graute, hat mich ereilt. Der Papst hatte zum Krieg gegen mich aufgerufen, und siehe!, ein Wunder war geschehen. Franz und Karl hatten tatsächlich Frieden miteinander geschlossen, einen Waffenstillstandsvertrag unterzeichnet und drohten mir jetzt als Verbündete.
Meine genüssliche Raserei gegen die Zeichen und Überreste des Papismus und meine Billigung der lässig formulierten (und ausgelegten) »Zehn Artikel zur Wiederherstellung der Ruhe im Christentum« hatten den Protestanten ermöglicht, auf gefährliche Weise in England Fuß zu fassen, und nun versuchten sie, meine Kirche zu unterwandern.
Meine vom Selbstmitleid in Gang gebrachten Orgien des Fressens und des Saufens hatten mich so sehr aufquellen lassen, dass ich nicht wiederzuerkennen war. Ich war fett und widerwärtig anzusehen.
Ich hatte meine Nöte und Probleme vervielfacht. Gelöst hatte ich keines, aber ich hatte neue geschaffen.
Mehrere Monate lang tat ich nichts. Ich zeigte mich selten und dann auch nur mit Zurückhaltung und Umsicht. Ich erließ keine neuen Gesetze, gab keine Proklamationen heraus. Ich kehrte meine Essgewohnheiten ins Gegenteil und wurde so enthaltsam wie ein Einsiedler in der Wüste; aber zu meinem Entsetzen stellte ich fest, dass das Fett mit meinem Leibe fest verwachsen war und nicht gehorsam dahinschmolz, wie es mir beliebte.
Um die gefährliche außenpolitische Situation, die sich entwickelt hatte, in Schach zu halten, beschloss ich, mit dem Klosterkapital die Errichtung einer Kette von Festungen und Verteidigungsanlagen entlang der südlichen Küste zu finanzieren, die sich von Sandown im Osten bis Pendennis im Westen erstrecken sollte. Ich beauftragte einen böhmischen Ingenieur namens Stephan von Haschenperg mit dem Entwurf dieser Burgen; sie sollten nach neuen Prinzipien und unter Berücksichtigung der jüngsten Entwicklungen des Kanonenkrieges errichtet werden. Wer gehofft hatte, der Reichtum der Mönche werde zur Gründung von Krankenhäusern, Universitäten und Schulen verwendet werden, würde sich enttäuscht sehen. Ich war selbst enttäuscht. Aber es kann keine höhere Gelehrsamkeit, keine Einrichtungen der Barmherzigkeit geben, wenn ein Land nicht im Frieden liegt, sondern von seinen Feinden verwüstet wird.
Dem wachsenden Einfluss des Protestantismus würde ich Einhalt gebieten, indem ich die »Zehn Artikel« für ungültig erklärte. An ihrer Stelle sollte ein Gesetz erlassen werden, in dem der orthodoxe Glaube verbindlich umrissen sein würde.
Das Parlament erließ pflichtgemäß dieses Gesetz der Sechs Artikel. Es bekräftigte die Doktrin der Transsubstantiation, erklärte es für erforderlich, dass man bei der Kommunion Brot und Wein empfange, stellte fest, dass Priester nicht heiraten durften, dass Keuschheitsgelübde für die Ewigkeit galten, dass private Messen erlaubt seien und die Beichte persönlich und vertraulich abgelegt werden müsse. Der Scheiterhaufen drohte dem, der den ersten dieser Artikel einmal, und wie ein Verbrecher gehenkt werden sollte der, der einen der fünf anderen Artikel zweimal ableugnete. Ich ermächtigte die Behörden, mit strengen Mitteln über die Einhaltung des Gesetzes zu achten, denn anders würde es keinen Erfolg haben. Dies trug dem neuen Gesetz beim Volke den sarkastischen Scherznamen »Die sechsschwänzige Peitsche« ein.
Obgleich ich keinerlei Interesse gezeigt hatte, war Cromwell die ganze Zeit damit beschäftigt gewesen, in Europa nach einer Braut für mich Ausschau zu halten. Ich hatte ihn gewähren lassen, denn es machte ihm Spaß, und ich wollte ihn bei Laune halten. Im vergangenen Jahr waren mehrere zarte Anfragen nach Dänemark ergangen (von der schnippischen
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