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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Edmunds Tochter freie Bahn zu haben glaubte. Aber jemand, der aus solcher Familie kam, konnte nicht viel wert sein. Gleichwohl, vielleicht würde der Dienst bei der neuen Königin sie lehren, wie es bei Edelleuten zuging. Dergleichen würde sie jedenfalls nicht lernen, wenn sie im Etablissement der Herzogin blieb, welches als »Zoo von Lambeth« bekannt war. Ich hakte ihren Namen ab und bestimmte sie zur Hofdame.
    »Lady Elyot.« Ich schnaubte. »Zu lutheranisch. Von der Sorte will ich niemanden bei Hofe haben.« Crum machte ein schmerzlich berührtes Gesicht. »Ich weiß von ihrem privaten ›Gebetskreis‹«, sagte ich. »Ich weiß auch, dass sie lutherische Schriften besitzt und dass sie für Lambert gebetet hat. Oh, sie nimmt zwar auch an der Messe teil, aber mich kann sie nicht täuschen. Nein.«
    Crum zuckte die Achseln, als sei dies nicht weiter wichtig. Aber war es das wirklich nicht? In letzter Zeit hatte er ein fast brennendes Interesse an Häresien und Häretikern gezeigt. Er besaß Exemplare von jedem beschlagnahmten Buch, von jeder Schrift, und er schien alles auswendig zu kennen.
    »Dann wird sie die »Sechsschwänzige Peitsche’ zu spüren bekommen.« Er lachte.
    »Es gibt etliche, die sagen, Ihr hättet diesem Ketzergesetz die Zähne gezogen«, sagte ich langsam. »Man berichtet mir, Ihr brächtet seine Artikel nicht zur Anwendung und warntet Leute, die unter Verdacht geraten sind. Und es stimmt, wir haben bemerkenswert wenige Verhaftungen zu verzeichnen. Man möchte glauben, ganz England hänge der traditionellen Glaubensfrömmigkeit an, und es gebe kaum einen im Lande, der anderen Sinnes ist.«
    Er lachte wieder. »Vielleicht haben die Scheiterhaufen zu Smithfield den Ketzern die Lust genommen, sich öffentlich zu bekennen.«
    »Ah. Aber es ist Eure Aufgabe, lieber Crum, sie aus ihren geheimen Verstecken zu jagen. Eine Aufgabe, die Ihr mir seltsam nachlässig zu verfolgen scheint.« Ich schaute ihn an und hob eine Braue. Er hatte die Warnung verstanden. »Und nun lasst uns fortfahren mit unserer Liste …«

    Dann waren die Listen vollständig, und Arbeiter schlugen die letzten Zapfen in die Holztäfelung im Audienzsaal der Königin zu Nonsuch. Es war eine Zeit der freudigen Erwartung – oberflächlich zumindest. Aber obgleich ich mich benahm wie ein Mann, der darauf brannte, seine Braut kennen zu lernen, und alles tat, was ein solcher Mann tun würde, war ich innerlich doch nicht wirklich leichten Herzens. Ich wollte so fühlen, und ich hoffte, das Gefühl würde dem Benehmen schon folgen. Jane würde wollen, dass ich glücklich war, oder nicht? Ich verwahrte ihr Porträt an meinem Bett. Jeden Abend, wenn ich es sah, verspürte ich Trauer bei dem Gedanken, dass ich es bald würde entfernen müssen und nicht mehr sehen könnte. Aber heute abend nicht … noch nicht.
    Ich hatte alles geplant, bis zum eigentlichen Tag. Lady Anna sollte am fünfundzwanzigsten November in England eintreffen. Der englische Hochadmiral William Fitzwilliam und eine große Schar von Lords würden sie von Calais herübergeleiten. Angehörige meines Geheimen Staatsrates würden sie in Dover empfangen und von dort nach Canterbury führen. Dort würde ich sie willkommen heißen, und Cranmer würde in der Kathedrale die feierliche Trauung vollziehen. Dann würden wir nach London aufbrechen und das Weihnachtsfest dort verbringen, und im Februar, an Maria Lichtmess, würde sie zur Königin gekrönt werden.
    Dementsprechend zog ich Mitte November nach Hampton Court und legte alles andere beiseite, während ich auf Annas Ankunft wartete. Es waren wunderliche, gedehnte Tage. Ich erwartete etwas. Ich wusste nicht, was. Es würde das Ende meiner Einsamkeit bedeuten, aber auch das Ende meiner Jugend – denn die Lady aus Kleve sah ich als die Gemahlin meiner absteigenden Jahre, und ich stellte mir vor, wie wir als Gefährten zusammen alt wurden. Ich begrüßte das Ende meiner Einsamkeit (wirklich? Das Fehlen jeglicher Leidenschaft ist ein oft unterschätztes Vergnügen), aber nicht das Ende meiner Jugend (oder doch? Stets einem körperlichen Bilde entsprechen zu müssen, ist auch ermüdend). Eines Tages erkannte ich, dass ich den ganzen Vormittag über nicht ein einziges Mal einen Blick auf Janes Porträt geworfen hatte, dass ich nicht einmal daran gedacht hatte – und da wusste ich, dass ich doch nicht mit Jane gestorben war. Nur zum Teil, denn am Mittag dachte ich dann doch wie gewöhnlich an sie.
    Erst zögernd, dann immer

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