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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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Rüstungen sehen und mächtige, mit seidenen Schabracken behängte Rösser. Das ist es, was beim Volk die Liebe erweckt, Sire.«
    Warum hatte die prachtvolle Krönung dann keine Liebe für Königin Anne erwecken können? Ich beantwortete mir diese Frage selbst: Weil das Volk sie als Hexe erkannt hatte.
    »Aber bei mir, Crum! Bei mir! Bei mir muss die Liebe erweckt werden!«
    Er starrte mich an, entsetzt ob seines Missverständnisses. »Verzeiht mir. Ich dachte, Ihr wäret … über dieses Bedürfnis hinausgewachsen.«
    »Zu alt, meint Ihr wohl!« Dieser Narr! Dieser törichte Narr! Anzudeuten, ich sei alt! Mich so zu beleidigen!
    »Nein, Euer Gnaden. Ich meinte, Ihr wäret hinausgewachsen über die Verderblichkeit Eures Bedürfnisses.«
    Ich war so fassungslos, dass ich keinen Zorn verspürte, sondern nur verzehrende Neugier. »Verderblich? Ich bitte Euch, sprecht weiter. Sagt es mir.« Vorsicht und Wachsamkeit spiegelten sich in seiner Miene. »Nein, fürchtet Euch nicht. Sagt mir nur offen, was Ihr in dieser Sache denkt.«
    »Ich denke, Euer Gnaden, dass Euer Wunsch, zu lieben und geliebt zu werden, ein schwacher Faden ist, welcher das ansonsten außergewöhnliche Gewebe Eures Charakters durchzieht. Ich hatte gehofft, er sei herausgezogen worden – wie ein Schneider einen unpassenden, nicht harmonisch in das andere gefügten Faden aus einem Mantel ziehen kann, auf dass dieser eine Faden nicht das Ganze verderbe.«
    »Zu lieben ist also eine Schwäche bei einem Menschen?«
    »Diese Liebe zu brauchen, um sich lebendig zu fühlen, ist eine. Es macht Euch abhängig von einer Nahrung jenseits von Gott, Christus, Speise, Wasser und Sonnenschein. Ein freier Mann braucht nur diese fünf Elemente. Ihr aber braucht sechs. Insofern seid Ihr nicht frei, sondern ein Vasall.«
    Darauf wusste ich keine Antwort. »Trotzdem will ich Anna allein sehen«, beharrte ich störrisch.
    Als ich an diesem Abend allein in meinem Schlafgemach war, betrachtete ich Janes Miniatur lange Zeit, bevor ich das Medaillon sicher einschloss. Ich wusste, ich würde es nicht mehr tragen können, wenn ich erst ein neues Weib hätte, und in wenigen Tagen würde es so weit sein. Merkwürdig, dass Crum das adelnde Gefühl der Liebe als etwas Schwaches, Verderbliches betrachtete. Ich hatte es immer entgegengesetzt empfunden – als stärkend und läuternd. Ich jedenfalls, wenn ich Liebesqualen litt, vermochte außerordentliche Leistungen zu vollbringen. Mehr noch, ohne die Liebe konnte ich es nicht. Zwischen zwei Lieben war ich müßig, unfruchtbar, richtungslos – ich harrte der Ankunft einer frischen Liebe, wie ein Schiff in den Kalmen auf einen starken Wind wartet, der seine Segel bläht.
    Das Bild eines Schiffs in der Flaute, mit schlaffen, runzligen Segeln und gänzlich impotent, war kein erfreuliches. Aber die Analogie hatte eigentlich keinen Bestand … Ich suchte die Liebe, weil sie das Beste in mir zutage förderte und mich zu dem Manne machte, der ich nach Gottes Willen sein sollte. Jedermann hatte ein Recht auf die Liebe, auf eine Gehilfin, auf ein Weib. So war es Gottes Plan. Es war Cromwell, der einsame Junggeselle, der unnatürlich lebte.
    Ich küsste Janes Miniatur und erinnerte mich vor allem an ihre wunderschöne, weiße Haut. Holbein hatte sie in seinem winzigen Porträt so gut einzufangen verstanden. Mit Jane wäre ich zufrieden gewesen – ja, ich war zufrieden mit ihr. Aber nun nicht mehr zu suchen, sondern aufzugeben: Wäre das nicht in Wahrheit das Merkmal eines Schwächlings?
    Nein, gleich morgen Früh würde ich aufbrechen. Ich würde dem Schneesturm trotzen und Anna in Rochester Castle begrüßen. Sie würde mich kaum erwarten – und was für ein freudiges, hübsches Geheimnis hätten wir dann.
    Und nun zu Bett. Ich stieg die drei Stufen hinauf und rief Culpepper, er möge mir die Bettpelze bringen. Er kam herein, lachend und mit gerötetem Gesicht.
    »Die Zobel«, sagte ich mit einer Handbewegung. »Heute Nacht werde ich sie brauchen.« Das Rauschen des Windes draußen übertönte sogar das Knistern des Feuers. Er kam zu mir und ordnete sorgsam die glänzenden dunklen Pelze um mich herum. »Und gebt etwas Myrrhe auf das Feuer«, befahl ich plötzlich. »Heute ist der achte Tag des Weihnachtsfestes.« Er grinste ob solcher Extravaganz. »Nehmt Euch selbst auch ein wenig«, sagte ich unvermittelt. »Alle Bediensteten der Privatgemächer sollen es mit mir teilen. Ein neues Jahrzehnt ist angebrochen!«

LXXXVI
    F rüh am nächsten

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