Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
Vom Netzwerk:
Ich beendete den Vers mit wilder Genugtuung. Putze dich und tanze und liebe deine goldene Erscheinung, mein Junge: Sie bleibt dir nicht, sie tut es nie. Ich habe die meine länger behalten, als es einem Menschen zukommt, aber jetzt ist sie dahin, und nichts bringt sie zurück. Zum Teufel mit dir! Du glaubst nicht, dass ich einmal herrlich aussah, wie? Wolsey, Katharina – die würden dir davon erzählen, aber sie sind tot …
    »Freut Euch daran, Culpepper«, sagte ich und wies auf den Stoff.

LXXXV
    E s war an der Zeit, dass ich mit Crum sprach. Crum, der anscheinend nie eine menschliche Leidenschaft gekannt hatte und deshalb auch nicht ihr Hinscheiden betrauern konnte. Der famose, vernünftige Crum. In letzter Zeit hatte ich angefangen, ihn zu beneiden; ich glaubte allmählich, ich sei verflucht durch die Natur, die mir zuteil geworden war – stets voller Sehnsucht, voller Gefühl, voller Schmerz. Ich fragte mich, wie es wohl wäre, durchs Leben zu gehen wie Crum und die Dinge zu nehmen, wie sie sind – nicht mehr und nicht weniger. Nun, mit seinem vernünftigen Kopf würde er mir helfen, den Haushalt der Königin zu erwählen.
    »Es ist lange her, dass ein ganz neuer Haushalt gebildet wurde«, bemerkte er. »Die sieben Jahre zwischen dem Tode Eurer Majestät Mutter und der Krönung Königin Katharinas waren für England die längste Periode ohne Königin.« Er war so taktvoll, das Naheliegende nicht weiter zu erwähnen: dass ich über lange Zeit zwei Königinnen zugleich gehabt hatte und dass meine Witwerschaft nach Annes Tod genau einen Tag gewährt hatte. Wahrscheinlich dachte er sich weiter nichts dabei und fällte kein moralisches Urteil. Ein Mann, wie es ihn selten gab, dieser Crum.
    »Heute habe ich ihr ein neues Schloss zu bieten – eines, in das noch keine Königin ihren Fuß gesetzt hat: Nonsuch. Ich will sicherstellen, dass die Gemächer der Königin bereit sind, meine Braut im Januar zu empfangen.«
    »Wir müssen auch ihre englischen Bediensteten ernennen«, sagte Crum. »Sie bringt nur zehn flämische Damen mit. Den Rest müssen wir stellen. Ich habe hier eine Liste« – er reichte mir eine Rolle mit mindestens zweihundert Namen – »sämtlicher Frauen, die vorgeschlagen worden sind –
oder sich selbst vorgeschlagen haben.«
    Mein Blick überflog die Liste.
    Elizabeth Fitzgerald, die fünfzehnjährige Tochter des Grafen von Kildare und der Gegenstand des poetischen Interesses des jungen Henry Howard, der sie in seinen Gedichten als »schöne Geraldine« feierte. Vor nicht langer Zeit, nachdem Surrey ihr hochherzig den Hof gemacht hatte, war sie dem alten Sir Anthony Browne angetraut worden. Ich fragte mich, ob sie die Ehe mit diesem welken Stängel wohl als befriedigend empfand. Und hatte ihre Zweckehe den betörten Howard aus seiner Verzückung gerissen? Ich setzte mein Zeichen an ihren Namen; sie hatte meine Genehmigung für den Dienst bei Hofe.
    Lady Clinton. Die Frau des Grafen von Lincoln. »Bessie?«, fragte ich mich laut.
    »Aye. Offenbar ist sie immer noch sehr schön, denn der junge Lord Clinton war verrückt nach ihr. Konnte kaum warten, bis Gilbert Tailboys entschlief, damit er sie heiraten konnte. Und Clinton war fünfzehn Jahre jünger als sie.«
    Ja, und er war großspurig, hübsch und beherzt. Wie Bessie es schätzte. Und jetzt wollten sie an den Hof kommen. Ja, natürlich. Mit leisem Schrecken erkannte ich, dass Bessie mir quasi eine Verwandte geworden war.
    Catherine Howard. Culpeppers Base. Lebte jetzt von der Mildtätigkeit der Herzoginwitwe von Norfolk in einem locker geführten Haushalt in der Nähe von London. Culpepper hatte gesagt, sie sei Waise.
    »Wer waren Mistress Howards Eltern?«, fragte ich Crum. Es gab so viele Howards wie Erdbeeren in einem wuchernden Beet.
    »Edmund Howard und die verwitwete Jocasta Culpepper.«
    Ich stöhnte. Jetzt entsann ich mich. Jedermann hatte die Witwe Culpepper für eine Närrin gehalten, als sie den nichtsnutzigen Glücksritter Edmund Howard geheiratet hatte, einen jüngeren Bruder jenes unüberschaubaren Stammes, in dem Herzog Thomas der älteste Bruder war. Er war ein besonders unfähiger Stutzer, der mich bei seinen kurzen Gastspielen bei Hofe so sehr geärgert hatte, dass ich ihm einen unbedeutenden Posten in Calais übertragen hatte … auf dem er natürlich auch gescheitert war. Er war verschuldet gestorben und hatte bis zuletzt verzweifelt versucht, sich Geld zu borgen. Ein Schwächling. Ich wusste jetzt, warum Culpepper bei

Weitere Kostenlose Bücher