Ich, Heinrich VIII.
für lose Gesellen, die einen schlechten Einfluss auf die Moral einer Frau haben.«
Mark Smeaton. Gott, würde der Name – der Gedanke an ihn – niemals seine messerscharfe Macht über mich verlieren? Warum tat es immer noch weh, nach mehr als drei Jahren? Nach drei Jahren, sechs Monaten und zwei Tagen … Auch Wotton erinnerte sich; er machte ein verlegenes Gesicht. »Vielleicht hat er Recht«, bemerkte ich leichthin.
Lady Anna würde also nicht mit einer Sammlung von intarsiengeschmückten Lauten und Spinetten mit elfenbeinernen Tasten eintreffen, und auch nicht mit neuen Kompositionen, die sie mir vorspielen würde. Es würde keine Kaminkonzerte an langen Winterabenden geben. Wie schade. Aber Mark Smeatons würde es auch keine geben, und keine zierlich gebauten Musikinstrumente, von höhnisch grinsenden Höflingen der Königin als Geschenk überreicht.
»›Des Königs Musik‹ wird unsere Ohren verwöhnen«, sagte ich. »Und zum Tanzen gibt es …« Ich brach ab. »Sie tanzt doch, oder?«
»Nein, Euer Gnaden. Das heißt, ich habe es nie beobachtet. Ihr Bruder sagt, er betrachte das Tanzen als sündhaften Zeitvertreib, ebenso verderblich wie die Gesellschaft von Musikanten.«
»Beim Blute Gottes! Kein Tanzen?« Sogar Katharina hatte getanzt!
Er lächelte schmal. »Kein Tanzen.«
Kein Tanzen. Nun, die Tage des Tanzens waren für mich sowieso vorüber. Seit Janes Tod hatte ich nicht mehr getanzt, und schon da war es mich meines Beinleidens wegen mühsam angekommen. Inzwischen war das Bein schlimmer geworden, nicht besser. Dazu kam mein Gewicht … Es würde schmerzhaft sein und plump aussehen, wollte ich heute tanzen. Da war es besser, dass ich in der Person meiner tugendsamen jungen Gemahlin einen guten Grund hatte, statt den wahren Grund in der Natur meines verfallenden alten Körpers zu bekennen.
»Tut sie denn überhaupt etwas?« Ich konnte die Frage nicht zurückhalten.
»Sie näht. Ich höre, dass ihre Nadelarbeiten wundervoll sind.«
Ich dachte an Katharina und daran, wie sie endlos meine linnenen Hemden bestickt hatte – all die verschlungenen Hs und Ks. Ich hatte sofort sämtliche Stickereien entfernen lassen, als wir uns getrennt hatten, aber sie hatte mir immer neue geschickt, solange sie lebte. Als sie zu Kimbolton entschlief, hatte sie eine Stickerei in Arbeit gehabt. Man hatte sie mir noch geschickt, und sie lag jetzt in meiner ältesten Kleidertruhe – ein stummer Vorwurf.
»Oh.« Es würde ein heiteres und tugendhaftes Leben werden mit dieser Lady Anne. Aber die Wahrheit war, dass ein Mann von der Schönheit eines Weibes allein existieren konnte. Eine griechische Statue konnte auch nicht Laute spielen oder tanzen oder die Bibel erörtern, und dennoch konnte man Stunden in ihrer Gegenwart verbringen, entrückt und beglückt von ihrer Schönheit.
Während Anna den scharfen Novemberwinden trotzte und mir gehorsam entgegenreiste, wurde es Zeit, dass ich mir eine geeignete Garderobe für die Hochzeit erwählte. Die Wahrheit war, dass meine einst prachtvollen Gewänder inzwischen schlechte Zeiten erlebt hatten. In einem Anfall von Trauer hatte ich meine liebsten Stücke eines Tages zerfetzt, weil mir Erlebnisse mit Jane in den Sinn gekommen waren, bei denen ich sie getragen hatte. Die übrigen – mit denen ich keine schmerzlichen Erinnerungen verband – hatte ich achtlos getragen, ohne mir je die Mühe zu machen, neue schneidern zu lassen. Auch das war eine Form der Trauer. Aber nun hatte ich nur noch ein paar Kleidungsstücke, die mir passten.
Jawohl, ich war füllig geblieben – um die Wahrheit zu sagen, ich war noch fülliger geworden, obwohl ich mir geschworen hatte, dass es nie geschehen werde. Es bekümmerte mich, und es war mir gleichgültig. Das heißt, ein Teil meiner selbst, was immer von meinem alten Ich überlebt hatte, war bekümmert; dem Rest, der hohlen Schale des alten Heinrich, war es gleichgültig.
Jetzt plötzlich war ich erpicht darauf, mich neu auszustaffieren … ebenso wie ich vor langer Zeit voller Eifer darangegangen war, Vaters Privatgemächer neu einzurichten. Der Schneider war gekommen, und ich schickte mich an, Maß nehmen zu lassen und Stoffe auszuwählen, und ich war bester Laune.
Wie glänzend die scharlachroten Seidenstoffe! Aus Flandern? Ein neues Färbverfahren? Wie tief der Satin – wie ein schwerer Topas! Und nun zu den Maßen … er lachte nervös … das dünne Bandmaß züngelte peitschengleich wie eine fahle Schlange. Leibesumfang:
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