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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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eifriger, begann ich, die Einzelheiten der Hochzeitsprozession und der Krönung im Februar zu planen. Im Winter war eine Krönung mit viel mehr Hindernissen verbunden als im Sommer; da hatte Culpepper Recht. Aber plötzlich waren Hindernisse mir kein ermüdendes Ärgernis mehr, sondern eine erregende Herausforderung. Ich vergnügte mich damit, mir auszudenken, wie das Wetter zu unserem Vorteil gewendet werden könnte. Wenn die Themse gefroren wäre, ließe sich ein glitzerndes Eisvergnügen veranstalten, mit lodernden Feuern und Schlittschuhläufern und Eisskulpturen. Wie prächtig das sein würde! Gleißendes Weiß konnte bunte Sommerblumen leicht in den Schatten stellen. Eine Winterkrönung für eine Königin, die den Winter meines Lebens mit mir teilen würde. Wie passend.
    Aber der fünfundzwanzigste November fand Lady Anna immer noch in Antwerpen bei einer ihrer zahlreichen Zwischenstationen auf der langwierigen Reise zwischen Düsseldorf und Calais.
    Es war unerlässlich, dass ihr erster Schritt auf englischen Boden gebührend gefeiert werde, denn es war ein großer Augenblick für mich wie für England. In jenen Tagen des fieberhaften Wartens zu Hampton Court gab jede Verzögerung auf ihrer Reise mir Gelegenheit, ihrem Empfang weiteren Schliff, zusätzlichen Schmuck zu verleihen. Was für ein blendender Farbenteppich muss sich daher vor ihr und bis zu den Mauern der Stadt selbst ausgebreitet haben, als Lord Lisle sie endlich an der Grenze des Bezirks Calais begrüßen konnte. Keine Blumenwiese und nicht die Schatztruhe eines Piraten konnte ähnlich prachtvoll sein: Die Kavallerie der Garnison, die Fußsoldaten und die Bogenschützen des Königs, in grünen Samt gekleidet und mit goldenen Ketten behängt; die Lords in vierfarbigen Gewändern aus Goldbrokat und purpurnem Samt; die Herren im Gefolge des Lord Hochadmirals mit blauem Samt und karmesinrotem Satin angetan, seine Garde mit Damast von gleicher Farbe und seine Seeleute mit schimmerndem Satin aus Brügge. Und auch, was die Zahlen anging, war das Schauspiel Schwindel erregend: zweihundert Bogenschützen, fünfzig Herren vom Geheimen Staatsrat, dreißig Edelleute aus dem Haushalt des Königs (unter ihnen Culpepper, Thomas Seymour und Francis Bryan), hunderte von Soldaten in der königlichen Livree der Besatzung von Calais, die hundert Kaufleute vom königlichen Wollmarkt und die zehntausend gemeinen Bürger von Calais.
    Der Lord Hochadmiral, stolzierend wie ein Pfau und von ebenso vielen farbenprächtig gekleideten Männern umgeben, wie dieser edle Vogel Federn im Schwanze hat, führte Lady Anna durch das Laternentor in die Stadt Calais hinein. An den Schiffen im Hafen wehten goldene Seidenflaggen. Als sie die Stadt betrat, grüßten die königlichen Schlachtschiffe Lyon und Sweepstake mit einhundertfünfzig Kanonenschüssen und einunddreißig Trompeten. Der Rauch von den Geschützen, erzählte man mir, war so stark, dass eine volle Viertelstunde lang kein Mensch den anderen sehen konnte, und so machte sich große Ausgelassenheit und Freizügigkeit breit. Als der Dunst schließlich verweht war, hatte England die Lady Anna bereits ins Herz geschlossen; die Bürger und Soldaten bildeten einen Pfad, auf dem sie zu ihrem Quartier schreiten konnte, und Jubel begleitete sie auf dem ganzen Weg.
    Auf der anderen Seite des Kanals war ich unterdessen geschäftig dabei, meine Anweisungen für die Weihnachtsfeierlichkeiten in Hampton Court zu erteilen. Unter allen königlichen Palästen war dieser derjenige, der wie ein Pegel die emotionalen Flutmarken meines Lebens verzeichnete. Hierher war ich als junger König mit Wolsey gekommen, um seine Grundstückspläne und seine sagenhafte Wasserleitung (fünf Fuß hoch!) zu inspizieren. Hier hatte Anne Boleyn mich zum ersten Mal behext, in ihrem gelben Kleid an jenem drückenden Tag im Juni. Hier war Edward geboren und Jane gestorben. Obwohl es ebenso viele unglückliche wie glückliche Ereignisse waren, war das Schloss doch so sehr verflochten mit dem, was ich, Heinrich, als erwachsener Mann war, dass es keinen anderen Ort gab, an dem ich Lady Anna mit Fug und Recht hätte willkommen heißen können.
    Girlanden wurden aufgehängt und fünf einzelne Julklötze hereingeschleppt; einhundert silberne Masken wurden angefertigt, die von den Gästen beim Mummenschanz und in den Maskeraden der Dreikönigsnacht getragen werden sollten. »Des Königs Musik« übte mehrere Stunden täglich für die Konzerte, und ich komponierte sogar

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