Ich, Heinrich VIII.
Willen zu offenbaren, und meine Entschlossenheit gelobte, ihn auszuführen.
»O Gott, himmlischer Vater, Schöpfer aller Dinge – verschone mich vor dieser Travestie, erlöse mich von solcher Grausamkeit …« Noch während meine Lippen diese Worte in der kalten, stillen Luft meines Schlafgemachs formten, erstarben sie vor der Gegenwart Gottes in meinem Herzen. Wie gelähmt war ich von der Glorie Gottes, von Seiner strahlenden Gegenwart, von dem Wissen, dass Er bei mir war. All meine eigenen Worte und Wünsche verblassten – besser gesagt, sie schienen zum Teil eines Ganzen zu werden, das ich erspürte, erblickte, ergriff – eines Ganzen so gleißend und zugleich so friedvoll, dass alles Irdische schon dadurch gesegnet war, dass es ein kleiner Teil davon war. Und ich war bereit – nein, erpicht darauf, zu tun, was Gott mir aufgetragen hatte, und Ihm in allem zur Hand zu gehen. Und so wandelten sich meine Worte zu dem Gemurmel eines Liebenden: »Ja, ja … alles, was ich haben oder sein mag, ist Dein.« Es war irgendwie vorherbestimmt, und es sollte sein, dass Lady Anna und ich heirateten. Den Grund kannte ich nicht, aber er würde mir offenbart werden. Vielleicht sollten wir einen Sohn bekommen, der ein großer Dichter oder Soldat werden würde. Einen Sohn – aber wie sollte ich mit ihr einen Sohn zeugen? Bei Menschen ist derlei unmöglich, aber vor Gott ist kein Ding unmöglich. Solche Kleinigkeiten des Fleisches schienen in diesem transzendenten Augenblick bedeutungslos zu sein.
Ich erhob mich von meinem Betstuhl als ein ergebener Mann, eifrig darauf bedacht, mich als Mann Gottes zu zeigen. Ich läutete nach meinen Bediensteten. Zeit zum Anziehen; heute durfte nicht getrödelt werden. Culpepper drehte sich um und rieb sich die Augen. Die Kammerdiener erschienen mit Fackeln und brachten Schalen voll duftenden Wassers und heiße Tücher. Mir fiel plötzlich ein, dass ich als mächtiger Monarch vermählt wurde, als ein König in besten Jahren; diesmal wollte ich alle Details und Nuancen, die dazugehörten, recht genießen. Ich fühlte mich frei, losgelöst, gehorsam. (Bedeutete dies, sich in Gottes Hände zu geben? Wenn ja, dann war es ein wunderliches Gefühl – sich selbst von außen zu erleben.)
Und so sah ich zu, wie ich bereitgemacht wurde. Ich sah zu, wie ein massiger, aber (unter dem Fett) immer noch muskulöser Mann mit parfümiertem Wasser gewaschen und dann mit weißem Linnen trocken getupft und mit Rosmarinöl eingerieben wurde. Ich sah zu, wie ihm sein Barbier das schütter werdende rötliche Haar kämmte und schnitt, und stellte fest, dass noch keine kahlen Stellen zu bemerken waren, sondern ein allgemeines Ausdünnen und Schwinden dessen, was nur zehn Jahre zuvor ein bemerkenswerter Haarschopf gewesen war. Auch der Bart war nicht mehr so dicht, und an einigen Stellen sah man Weißes, aber auch er hatte keine Lücken, war nicht spärlich. Ich sah, kurz, einen Mann, der nicht mehr war, was er einst gewesen, aber auch noch nicht, was er sein würde. Nicht jung, nicht alt. Ein Mann im Übergang.
Und jetzt – das Hochzeitsgewand. Als ich es in Auftrag gegeben hatte, war jedem verschwenderischen Wunsche Rechnung getragen worden. Jede Schicht dieses Kleides trachtete die darunter liegende zu übertreffen. Nun sollten sie alle zu einem blendenden Ensemble zusammengefügt werden. Culpepper hielt mir das erste Unterhemd; es war aus feinster chinesischer Seide, weiß bestickt. So leicht war es, dass es beinahe schwebte, als er es mir reichte, und das geschmeidige Gefühl, mit dem es über meine Haut glitt, gemahnte an eine verführerische Schlange. Aber die Schichten danach wurden schwerer und schwerer, von Goldfäden durchzogen und mit Edelsteinen, orientalischen Perlen und Silber aus Damaskus besetzt, bis nur ein Mann von meiner Breite und Kraft sie alle hätte tragen können.
Ich habe Rüstungen getragen und weiß, wie schwer sie sind; das hier kam ihnen gleich. Doch was sind Gold und Edelsteine anderes als Rüstungen für Zivilisten?
Meine Braut erwartete mich. Mein Schicksal erwartete mich. Beide waren nicht das, was ich mir erwählt hätte, aber Gottes Wege waren geheimnisvoll und gebieterisch. In dieser Geistesverfassung begab ich mich zu dem öffentlichen Empfang für Anna, Prinzessin des Herzogtums Kleve.
Der Tag war schön und klar und kalt. Unter dem harten blauen Himmel funkelten die goldenen Zelte wie Galeonen, die sich auf dem Meere wiegten. Die Standarten über ihnen knatterten scharf
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