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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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ist für deinen Almosenkasten!«
    Als er gegangen war, fragte der König mich ruhig: »Und wie ist das Gesetz über die Almosen?«
    »Gibt einer ein Almosen und gibt er es nicht in den Almosenkasten, den das Gesetz vorschreibt, so soll er eine Buße zahlen, die das Zehnfache seines Almosens beträgt.«
    Er strahlte, wie Mutter es immer getan hatte, wenn ich ein unregelmäßiges lateinisches Verbum erfolgreich konjugiert hatte. »Du kennst also das Gesetz. Und wirst du es anwenden? Ohne den Unfug über die Armen und das Goldene Zeitalter, wo wir alle gleich sein und auf dem Dorfanger zusammen tanzen werden, geschmückt mit Krähennetzen?« Er wandte den Blick ab. »Das ist nur natürlich, wenn man jung ist … ich hatte auch solche Ideen, als ich – wie alt bist du?«
    »Elf, Sire.«
    »Elf.« Er schien weit weg zu sein. »Als ich elf war, war ich gefangen bei den Yorkisten. Zwei Jahre später war alles anders, und der arme, blöde Heinrich VI . – mein Onkel, entsinne dich – saß wieder auf dem Thron. Mein anderer Onkel, Jasper Tudor, Heinrichs Halbbruder, nahm mich mit zu ihm nach London. Und als der verrückte König meiner ansichtig ward, sagte er so, dass alle Umstehenden es hören konnten: ›Gewiss ist er derjenige, vor dem wir wie auch unsere Gegner uns werden beugen und in dessen Hand wir die Herrschaft legen müssen.‹ Heinrich war ein Heiliger, aber er war schwachsinnig. Eine Prophezeiung? Hätte man ihn bestrafen müssen?«
    »Es kommt offenbar ebenso auf den Stand des Propheten wie auf den Inhalt seiner Offenbarung an. Ich ergänze, was ich vorhin gesagt habe.«
    Er hustete. Es war kein höfliches Husten, sondern ein echtes. Wieso weigerte er sich, seine Räume ordentlich zu heizen?
    »Ich bitte dich, mich zu entschuldigen.« Er begab sich in den Alkoven, der an sein Arbeitsgelass angrenzte. Auch eine der Neuerungen in Richmond Palace: Er hatte sich ein abgeschlossenes Kämmerchen bauen lassen und darin eine prachtvolle Vorrichtung untergebracht, auf der er sich erleichtern konnte. Es war dies ein mächtiger, thronähnlicher Sessel, ganz mit Samt gepolstert. Daneben stand ein großer Zinntopf, ein königliches Exemplar jener Geschirre, die man in allen Schlafkammern finden konnte und die jeden Morgen geleert werden mussten. (Der französische Ausdruck lautet vase de nuit.) Diesem wandte er sich nun zu und machte sich daran, sich scheinbar endlos dort hinein zu entleeren, und die ganze Zeit über führte er die Unterhaltung in majestätischem Ton weiter.
    Will:
    Als Heinrich König wurde, versuchte er, seinen Vater in allem in den Schatten zu stellen, besonders aber auf diesem Gebiet. Er ließ sich für seinen eigenen Gebrauch einen wahrhaft himmlischen »Privatstuhl« (wie er es nannte) konstruieren. Er war so prächtig geschmückt, so mit Edelsteinen übersät und mit Gänsedaunen gepolstert, dass es ein Schwindel erregendes Erlebnis gewesen sein muss, ihn zu benutzen. Wie Harry sich darauf beschränken konnte, sich nur einmal am Tag dorthin zurückzuziehen (es sei denn natürlich, er hätte unter Verdauungsbeschwerden gelitten), ist nur eines der vielen Rätsel, die er mir aufgab. Ich hätte dafür zu sorgen gewusst, dass ich den halben Tag darauf hätte sitzen können.
    Trotzdem pflegte Harry – jetzt, da ich darüber nachdenke – einen ungewöhnlich keuschen Umgang mit diesem Thema. Er erlaubte mir nicht, mich jemals auf diese Körperfunktionen zu beziehen (für einen Narren eine wahrhaft verkrüppelnde Einschränkung), noch auch je die guten alten Wörter »pissen« und »furzen« zu benutzen, oder – wie er zu sagen pflegte – »das Wort, das sich auf ›beißen‹ reimt«.
    Heinrich VIII.:
    »Ich habe dich aber nicht rufen lassen, um mit dir über Krähennetze oder über den verrückten Heinrich VI . zu plaudern, sondern über die Ehe«, erklärte der König; ich konnte ihn kaum verstehen, so groß war das Geprassel, mit dem er seinem körperlichen Bedürfnis Erleichterung verschaffte.
    Dann drehte er sich um, und ich trat zurück und vergaß nicht, respektvoll den Blick abzuwenden. »Die Ehe!«, wiederholte er und ordnete seine Gewänder. »Ich muss in letzter Zeit viel daran denken.«
    Er lächelte dieses schmallippige, selbstgefällige Lächeln, das er immer zur Schau trug, wenn er sich für besonders gerissen hielt. »Margaret wird für mich tun, was meine Armee nicht vermag.«
    Er hatte soeben die Vermählung meiner Schwester Margaret mit König James IV . von Schottland in die Wege

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