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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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geleitet. Sie würde den Stuart heiraten, einen Mann in mittleren Jahren wohl, aber noch rüstig, und in dieses barbarische, kalte Land ziehen, ob es (oder er) ihr nun gefiel oder nicht. Das Ergebnis wäre eine Art Union zwischen England und Schottland.
    Er ging zu seinem Tisch und nahm einen Brief zur Hand. »Ich habe hier einen … interessanten Vorschlag empfangen. Von Ferdinand und Isabella. Du sollst Katharina heiraten, ihre Tochter.«
    Und ich versuche jetzt, mich an meine erste Empfindung zu erinnern. Es war Entsetzen, ein Zurückzucken. Dann Freude. »Arthurs Witwe?«
    »Gibt es noch eine andere Katharina, deren Eltern Ferdinand und Isabella heißen? Eben dieselbe.«
    »Aber sie ist … sie war …«
    »Der Papst kann euch Dispens erteilen. Das ist kein Hindernis. Würde es dir gefallen? Würde es dir gefallen, Junge?«
    »Ja«, hauchte ich. Ich wagte nicht, mir vorzustellen, wie sehr.
    »Mir gefällt es auch. Die Allianz mit Spanien fortzuführen. Die Mitgift zu behalten.« Er warf mir einen Blick zu. »Ein Weib wärmt dir das Bett, aber Geld erleichtert dein Herz. Und das Weib fürs Bett kannst du dir damit außerdem kaufen.«
    Er widerte mich an. Und er entehrte meine Mutter, die er nun gewiss nicht gekauft hatte. »Vielleicht«, war alles, was ich mich zu sagen getraute.
    »Dann werde ich die Verlobung in die Wege leiten. Und nun solltest du mich dem Gejammer weiterer Krähennetzburschen überlassen.« Verdrossen wandte er sich wieder seinem Schreibtisch zu und bedeutete seiner Wache, dass er bereit war, den nächsten Beschwerdeführer zu empfangen.
    Ich war froh, ihm zu entrinnen. Ich hatte Hunger, und ich wusste, Vater aß immer erst spätnachmittags. Als ich in meiner Kammer war, bestellte ich mir Brot und Käse und Ale. Während ich darauf wartete, dass man es mir bringe, wanderte ich rastlos auf und ab und dachte über Vaters Vorschlag nach. Ich nahm meine Laute zur Hand, doch ich konnte ihr keine gute Musik entlocken. Ich schaute aus dem Fenster in den verschneiten Obstgarten des Palastes hinaus. Die Bäume standen wie verschlungene schwarze Linien über der weißen Schneefläche.
    Ich hörte ein leises Geräusch und drehte mich um; ein Diener brachte ein mit Speisen beladenes Tablett. Ich nahm es entgegen, setzte mich an meinen kleinen Arbeitstisch und aß. Der Käse war außergewöhnlich gut, golden und mürbe und nicht so hart, wie der Käse in letzter Zeit sonst gewesen war. Das Ale war dunkel und kalt. Ich vertilgte alles. So viel ich auch aß, ich wurde anscheinend niemals dicker, nur größer. Ich war dauernd hungrig, und nachts hatte ich manchmal das Gefühl, alle Knochen täten mir weh. Linacre, einer der Leibärzte des Königs, meinte, das komme vom schnellen Wachsen. Die Knochen, erklärte er, schmerzten, weil sie gestreckt würden. Im letzten Jahr war ich fast fünf Zoll größer geworden. Den König überragte ich inzwischen; fast hatte ich die Sechs-Fuß-Marke erreicht.
    Meine liebste Tageszeit nahte: der Spätnachmittag, wenn die Knaben und Jünglinge bei Hofe sich in dem geschlossenen Übungsraum der Großen Halle (gleichfalls eine Neuerung) zu allerlei Kampfspielen versammelten. Da keine Gefahr dabei war, erlaubte der König mir widerwillig, daran teilzunehmen.
    Von November bis März waren die Knaben bei Hofe ans Haus gefesselt. Nur bei diesen Übungen konnten sie ihrem Ungestüm Luft schaffen, und so verliefen sie wüst, lärmend und undiszipliniert. Ich war der Jüngste; die meisten anderen waren zwischen vierzehn und neunzehn Jahre alt. Wegen meiner Größe und natürlichen Gewandtheit war ich indessen weniger durch mein Alter benachteiligt, als vielmehr durch das, was ich war. Zunächst waren sie mir mit Wachsamkeit begegnet, mit Befangenheit, doch dies legte sich, als wir uns besser kennen lernten – wie es bei jungen Leuten meistens der Fall ist. Ich war ihr künftiger König, aber ich glaube, darüber sahen sie hinweg, wenn wir (ein besseres Wort fällt mir nicht ein) spielten. Ich habe jedenfalls nie etwas anderes dabei verspürt als den üblichen Drang des Jüngsten, sich vor seinen älteren Gefährten zu beweisen.
    Will:
    Du vielleicht nicht, Harry, aber ich kann dir versichern, die anderen haben sehr wohl noch mehr gespürt. Dieser Teil des Tagebuches hat mich traurig gemacht. Ich hatte nicht gewusst, wie naiv Harry gewesen war, oder mit welcher Verzweiflung ein König danach trachten kann, sich einzureden, den anderen sei seine Stellung nicht bewusst. Oder wie früh

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