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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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diese Selbsttäuschung zwangsläufig einsetzen muss. Jedenfalls waren sich die anderen durchaus im Klaren darüber, dass sie ihre Ringkämpfe und Scheingefechte mit dem zukünftigen König austrugen. Beim Blute Gottes, sie verwandten ja die nächsten zwanzig Jahre darauf, diese Winternachmittage ihrer Kindheit als Grundlage für ihr Fortkommen zu nutzen!
    Heinrich VIII.:
    Wir waren ein rundes Dutzend. Der älteste war Charles Brandon, der Jüngling, der mir in Sheen zum ersten Mal begegnet war. Er war neunzehn, aber der Altersunterschied zwischen uns war keine gar so große Kluft. Im Gegensatz zu den anderen war er nicht mit seinem Vater bei Hofe. Sein Vater war tot – er war in der nämlichen Schlacht zu Bosworth gefallen, in der Vater seine Krone errungen hatte; Richard selbst hatte ihn zu seinem Gegner erwählt, weil er den Drachenwimpel der Tudors getragen hatte. Da der König den Toten nicht mehr belohnen konnte, ehrte er stattdessen seinen Sohn und holte ihn zu sich an den Hof. Daher waren wir durch familiäre Bande ebenso miteinander verbunden wie durch persönliche Sympathie.
    Nicholas Carew war sechzehn. Er war sehr hübsch und hatte viel für Kleider übrig; es sei sehr wichtig, behauptete er, au courant in der französischen mode zu sein. Er war verlobt mit der Schwester seines besten Freundes und Gefährten, Francis Bryan, eines ebenso glühenden Anhängers französischer Schneiderkunst. Unablässig erörterten sie ihre Garderoben und die Frage, welche Sorte Federn schließlich den Pelzbesatz an den Mützen verdrängen würde. Mit dem Herzen waren sie mehr im Bankettsaal als auf dem Spielplatz; vielleicht war dies der Grund dafür, dass Francis Bryan später bei einem Turnier ein Auge verlor; er rannte einfach schnurstracks in eine Lanze. Danach ließ er sich dann eine juwelenbesetzte Augenklappe anfertigen.
    Edward Neville, ebenfalls sechzehn, gehörte zu einer der mächtigsten Familien des Nordens; sein Vergnügen an den Spielen im Freien war robuster als das Bryans oder Careys. Zwischen Neville und mir bestand eine außergewöhnliche körperliche Ähnlichkeit; aus mittlerer Entfernung war es schwierig, uns auseinander zu halten. Dies gab in späteren Jahren Anlass zu dem absurden Gerücht, er sei mein unehelicher Sohn. Eine interessante Vorstellung, wenn man bedachte, dass er ungefähr fünf Jahre älter war als ich.
    Henry Guildford, William Compton – sie waren fünfzehn und hatten nichts weiter im Kopf, als Geschichten über Schlachten zu lesen und von der Invasion Frankreichs zu träumen. Und Thomas Wyatt, Sohn eines königlichen Ratgebers, war noch jünger als ich und kam nur zum Zuschauen. Er war aus Kent und hatte wie ich die ersten Jahre seines Lebens auf dem Lande verbracht. Schon in diesem Alter schrieb er gern Gedichte, wenn er mir auch nie eines davon zeigte.
    Will:
    Wofür man dankbar sein sollte. Als Pastor in Kent vertrieb Wyatt sich später unter anderem die Zeit damit, der Liebhaber seiner Nachbarin Anne Boleyn zu sein … vielleicht als Erster? Eine bezeichnende Ehre, das. Nachher schrieb er dann eine Reihe indiskreter Gedichte über sie, aber er war klug genug, Harry auch diese nicht zu zeigen.
    Heinrich VIII.:
    Als ich an diesem Nachmittag die Treppe zur Halle hinunterkam, waren die meisten meiner Freunde schon da und zogen ihre gepolsterten Wamse an. Also gedachten sie, an diesem Nachmittag die Schwerter zu schwingen und vielleicht auch ein wenig Ringkampf zu üben.
    Bryan und Carew kamen hinter mir herein; sie schleppten etwas Großes, Schwarzes, das sie mit lautem Geschepper hinstellten. »Schaut!«, riefen sie. »Das ist die neue italienische Rüstung!«
    Rasch eilten alle herbei, um die Neuigkeit zu besehen. Alle außer Brandon. Er blieb einfach stehen und verschränkte die starken Arme. »Woher habt ihr die?«, fragte er.
    »Wir haben sie gestohlen«, sagte Carew.
    »Nein«, verbesserte Bryan. »Wir haben sie geborgt. Von einem Ritter, der mit einer Petition zum König kam. Er hat sie in der Wachstube gelassen, als er zur Audienz ging.«
    »Bringt sie zurück«, sagte Brandon.
    »Gleich«, antworteten sie im Chor. »Wir wollten sie euch nur zeigen. Schaut euch die Verzierungen an …«
    »Ich habe gesagt, ihr sollt sie zurückbringen!«, brüllte Brandon.
    Carew hob Hilfe suchend den Blick zu mir, wie ich es befürchtet hatte. Aber es hatte ja geschehen müssen, früher oder später …
    »Ja. Bringt sie zurück«, murmelte ich. Es war mir zuwider, dass man mich in diese

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