Ich, Heinrich VIII.
solcher Geschwindigkeit.
Sauber rasiert und gehorsam stand er vor mir. »Euer Gnaden?« Er verbeugte sich, und nur ein Anheben seiner Stimme verriet Eifer und Beflissenheit.
»Die Lage auf dem Kontinent klärt sich wie die Wolken an einem Tag im März«, hob ich an.
»Sire?«
»Ich brauche die Allianz mit Kleve nicht mehr!«, bellte ich. »Ihr habt sie errichtet; jetzt reißt sie ein.«
Er machte ein geringschätziges Gesicht. »Aber das ist …«
»Leonardo da Vinci – sogar er! – riss die Bögen und Pavillons ein, die er für die Krönung der Königin Katharina geschaffen. Angeblich war er ein großer Künstler – Franz dachte es jedenfalls, denn er kaufte jedes Stückchen Leinwand, das er bemalt hatte! –, und doch war es nicht unter seiner Würde, wegzuräumen, was er in Unordnung gebracht hatte.«
»Sire?« Er zeigte sich schmerzlich berührt und ratlos. »Ich bitte Euch, sprecht deutlicher. Ich bin kein Künstler, und ich habe keine Bögen errichtet, auf denen Cherubim sitzen. Noch habe ich Madonnen in seltsamen Landschaften gemalt.«
»Nein, Ihr habt die Travestie einer Madonna in meine Landschaft gesetzt!«
Er starrte mich verständnislos an. Welch ein Schauspieler!
»Ich meine Lady Anna von Kleve! Eine Madonna – eine Mutter – wird sie niemals sein, und die politischen Gründe für diese Ehe sind unzureichend. Franz und Karl treiben auseinander wie jene Märzwolken, und meine guten Küstenfestungen werden mich besser beschützen als eine Allianz mit dem Herzogtum Kleve. Sie war ein Fehler, ein grässlicher Fehler, der mir die Gelegenheit raubt, glücklich zu sein. Also schafft beiseite, was Ihr so geschickt erbaut habt!«
»Ich dachte … sie sei Euch ans Herz gewachsen, die Lady … die Königin«, murmelte er.
»Ans Herz gewachsen sind mir auch meine Jagdhunde und die erste Laute, die ich als Knabe bekam. Aber für eine Ehe reicht das nicht!«
Statt mit unterwürfigem Gehorsam zu reagieren, wanderte er ein Weilchen im Zimmer umher – obgleich ich es ihm nicht erlaubt hatte! – und kehrte dann versonnen zu mir zurück. (Er tat, als habe er wahrhaftig die Wahl, mir zu gehorchen oder nicht. Weshalb stellte er meine Geduld auf eine solche Probe?)
Seine Augen waren schmal. »Es war Norfolk, der Euch dies eingebrockt hat«, erklärte er kalt. »Er will Euch zu seinem eigenen Vorteil benutzen.«
»Niemand benutzt mich!«, brüllte ich. Dieser Narr! »Am allerwenigsten Ihr!«
Er erschrak; ich aber fuhr fort. »Jawohl, Ihr! Überall im Reich behauptet man, dass Ihr mich benutzt. Mich benutzt für Eure eigenen Ränke. Protestantische Ränke. Jetzt beweist mir, dass es gelogen ist. Löst diese beleidigende protestantische Allianz auf, die Ihr mir da zusammengebraut habt, die Ihr aufgestellt habt wie einen von Leonardos symbolischen Triumphbögen aus Pappdeckel und Farbe. Reißt sie ein. Sie ist so unbedeutend wie ein Bogen aus Pappe.«
Seine Miene war finster. »Euer Gnaden …«
»Tut es! Was geschehen ist, kann rückgängig gemacht werden!«
Ein Herzschlag, und er hatte die Herausforderung angenommen. »Welche Vorkehrungen sind für Lady Anna zu treffen?«
Ich wedelte ungeduldig mit der Hand. »Ein Schloss – ein Palast – eine königliche Rente …« Darum sollte er sich selbst kümmern. Dann hielt ich inne. Anna war mir lieb, auf eine wunderliche Weise. Ich liebte sie sogar, aber es war eine unvergleichliche Art von Liebe.
»Sie soll meine Schwester sein«, sagte ich. »Ich will sie bei mir behalten und mich ihrer erfreuen, als wäre sie meine liebe Maria, die ich verlor. Ich habe keine Familie«, sagte ich fast verwundert. »Ich hätte gern eine Schwester.«
»Ihr müsst deutlicher werden«, antwortete er trocken.
Ich setzte mich hin, und die Worte kamen mir wie von selbst aus dem Mund. »Sie soll den Titel ›Schwester des Königs‹ erhalten. Sie soll eine königliche Residenz erhalten … und sie soll meine Freundin sein.«
»Eine hohe Ehre.« Machte er sich über mich lustig? Ich schaute ihm rasch ins Gesicht. »Eine, deren ich in letzter Zeit ein wenig unsicher bin.«
»Oh, Crum.« Ich lachte, aber ich antwortete nicht. Eine ausweichende Antwort ist keine Antwort, nicht einmal eine Beruhigung.
Ich wusste tief in meinem Innern, dass Crum gefährlich wurde; er hatte sich verändert, seit er in meinen Dienst getreten war. Die Tage, da er mir und England nützlich gewesen war, hatte er hinter sich. Es gab Anzeichen dafür – Anzeichen, die nicht einmal er verbergen konnte:
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