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Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
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sie Euer Gnaden Frau«, erwiderte die kleine Catherine mit glockenklarer Stimme.
    »Cromwell …« Oh, was fing ich nur an mit Crum? »Cromwell muss lernen, mit Enttäuschungen zu leben«, war meine glanzlose Antwort.
    »Beauftragt ihn doch, nun aus der Welt zu schaffen, was er so geschickt ins Werk gesetzt hat«, schlug sie fröhlich vor. »Wie die Mutter ein ungezogenes Kind nötigt, sich mit dem zu plagen, was es soeben verdorben hat. Die Herzogin ließ mich oft die Fäden aus den Hemden ziehen, die ich bestickt hatte, wenn ich schlecht gearbeitet hatte.«
    Meine geliebte Catherine hatte die Handarbeit einer Dienstmagd tun müssen! »War es mühselig?«
    »Aye. Aber es lehrte mich, darauf zu achten, wie ich die Nadel führte. Vorher war ich unbekümmert und nachlässig.«
    »Du warst noch ein Kind.«
    »Das ist Lady Elisabeth auch. Dennoch versteht sie es gut, auf jede Bewegung ihrer Nadel zu achten.«
    Elisabeth. Was kümmerte es mich, was Elisabeth trieb?
    »Ja, lass uns Cromwells Findigkeit auf die Probe stellen.« Ich lachte leise. »Soll er seine eigenen, mühsam verschlungenen Stickereien wieder auflösen.«
    Sie lachte. »Er hat Euch in einen Käfig gesperrt. Nun soll er Euch wieder freilassen.«
    »Ich wäre nicht frei, kleiner Vogel, sondern gefesselt an dich.«
    Sie streckte die Hand aus und strich mir über die Wange. Der matte Schein von den Fackeln der Bootsleute beleuchtete die linke Seite ihres Gesichts – eine Halbmaske.
    »Du bist ein Halbmond«, flüsterte ich und beugte mich zu ihr, um sie zu küssen. Sie erwiderte den Kuss herzhaft, hungrig, süß. Ich bebte, erschauerte, barst vor Verlangen.
    »Nein, nein …«, wisperte sie, und ihre Stimme hob sich eindringlich. »Mein Lord!«
    Ich war beschämt. Ich hatte sie erschreckt, ihre Keuschheit bedroht. »Vergib mir«, sagte ich. Mein Atem ging stoßweise.
    Sie raffte ihren Mantel um sich. Jesus, wie hatte ich sie so beleidigen können? Sie weinte.
    »Catherine, ich wollte Euch nichts Böses antun. Aber dies ist … unnatürlich.« In diesem Augenblick fühlte ich es, wusste ich es. »Wir müssen unverzüglich vermählt werden. Es soll so sein. Schluss mit dem Herumstehen an der Themse, zitternd vor Sehnsucht.« Sogar das Klatschen der Wellen an der Ufermauer hatte in meinen Ohren einen anzüglichen Klang. »Ich werde morgen mit Cromwell sprechen.«
    Noch immer hatte sie das Gesicht in ihrem Mantel verborgen und die Schultern hochgezogen. Beruhigend streckte ich die Hand nach ihr aus. »Ruhig jetzt«, besänftigte ich sie. Als sie aufgehört hatte zu weinen, legte ich ihr einen Arm um die Schultern und führte sie zu der wartenden Barke. Auf dem ganzen Weg lehnte sie sich an mich, aber als der Augenblick kam, da sie vor ihrem wartenden Onkel Norfolk ihre Rolle zu spielen hatte, da lächelte sie fröhlich und stieg zu ihm in die Barke der Howards.
    Ihr Cousin Surrey, Lady Norris, Maria, die Witwe meines verlorenen Sohnes Fitzroy – all das Jungvolk der Howards wartete an Bord der Barke auf sie, und sie überstrahlte sie alle. Als die Ruderer vom Ufer ablegten und Musik und schwacher Laternenschimmer über das Wasser schwebten, fragte ich mich, wie es wohl sein mochte, zu einem so großen Familienstamm zu gehören, und wie man sich dabei fühlen mochte.

XC
    I ch erwachte lange vor dem Morgengrauen und genoss die Süße des Frühlings. Jede Stunde kam mir jetzt kostbar vor, jede Stunde des Tages wie von einem seltenen Parfüm durchtränkt. Der Sang der Vögel vor meinem Fenster war feiner abgestimmt als jedes menschliche Violenkonsortium. Oh, wie schön war doch die Welt! Catherine würde bald meine Frau sein, und ich würde wieder jemanden haben, mit dem ich diese erlesenen Augenblicke des Lebens teilen könnte.
    Culpepper regte sich auf dem Lager am Fuße meines Bettes und stöhnte. Er rieb sich die Augen und setzte sich auf, und dabei murmelte er die ganze Zeit vor sich hin. Sein Atem stank. Ich musterte ihn – in seiner ganzen jugendlichen Kraft und Schönheit von einem Katzenjammer umfangen; plötzlich erschien er mir wie eine Entweihung, eine Perversion dessen, was ein Mensch sein sollte. Er verdarb den Tag wie ein Geschwür die Wange einer Jungfrau.
    Ich musste Cromwell sehen, wenn wirklich etwas geschehen sollte. Also schickte ich nach ihm, was ich seit einer Weile nicht mehr getan hatte. Er erschien so prompt, dass ich die Geschichte des jungen Henry Howard von der diabolischen Macht beinahe geglaubt hätte; nur der Teufel reiste mit

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