Ich, Heinrich VIII.
Aber obgleich meine Sinne hellwach waren (keiner von uns hatte an diesem Abend Wein getrunken), war ich durch ihre bloße Gegenwart so entrückt, dass alles verändert war, und ich kann die eine Handlung von der nächsten nicht mehr trennen.
Es erbost mich, dass dies so ist. Es waren kostbare Stunden für mich, Stunden, die Bestand haben müssen, nachdem die hässlichen Fluten über sie hinweggerollt sind, und doch kann ich mich nicht erinnern! Ich kann mich nicht an kühle Einzelheiten erinnern, nur an meine eigenen Gefühle, die so stark waren wie Herkules, aber formlos.
Ich war bei ihr. Ich besaß sie. Sie war mein. Schon die Berührung ihrer Hand war ein Geschenk. Ein Geschenk, das mir natürlich und zugleich über alle Vorstellung hinaus kostbar erschien. Der gewöhnliche Heinrich, mein wahres Ich, war eines solchen Geschenkes nicht würdig, wohl aber dieser besondere Heinrich, der Heinrich, zu dem ich in ihrer Gegenwart wurde.
All dies war völlig natürlich, oder? Sie in meinen Armen zu halten, ihre Lippen zu küssen, diese zärtlichen Worte zu hören, die sie stoßweise hervorkeuchte. Der besondere Heinrich, der in diesen Augenblicken erschaffen wurde, gesegnet mit einer außergewöhnlichen Gnade (dieser Heinrich, der ich war und der ich nicht war, ein Fremder und zugleich mir wohl bekannt) – er fühlte sich frei in dieser Seligkeit, dieser Heimkehr.
Ich weiß, dass sie darauf reagierte und den Heinrich schuf, von dem ich spreche. In jenen flüchtigen Augenblicken, da ich als dieser außergewöhnliche Heinrich existierte, war mir, als sei ich immer so: nicht vergänglich, nicht vorübergehend. Ich war kühn mit ihr, und ich tat mit ihr im Bette, was dieser Heinrich wollte. Wir legten nicht erst alle unsere Kleider ab, so erpicht waren wir darauf, unsere Vereinigung zu vollziehen und miteinander eins zu werden. Unsere Oberkörper blieben vollständig bekleidet, derweil unsere Unterleiber nackt einander suchten. Es geschah so schnell, so vollständig, dass die Dämmerung nicht vollends der Dunkelheit gewichen war, als unsere erste Vereinigung hinter uns lag.
Was für ein Kontrast: Unsere unteren Hälften noch immer in Hitze und Schweiß verschmolzen und umschlungen, während unsere Oberkörper einander überhaupt nicht berührten, sondern getrennt waren durch zahllose Schichten von Linnen und Samt und Geschmeide.
Wir rollten auseinander. Aber noch immer keine Befangenheit: nein, keine.
Endlich sprach ich, leise. »Du bist anders als in meiner Fantasie.«
»Wieso?«
»Ich hätte nie gedacht, dass du so schnell wissen würdest, was du wolltest.«
»Bist du enttäuscht?«, fragte sie betrübt. »Weil ich nicht die Widerstrebende spielte, wie eine Jungfrau dies zu tun hat?«
»Nein, nein«, versicherte ich ihr rasch. Aber sprach ich die Wahrheit?
»Ich wollte ja. Aber die Wahrheit ist, mein Verlangen überwältigte mich, und ich hatte weder den Willen noch die Macht, es im Zaume zu halten.« Sprach sie die Wahrheit?
»Ich auch nicht.« Ich beugte mich zu ihr und küsste sie sanft. Das juwelenbesetzte Wams, das ich immer noch trug, beengte mich in meinen Bewegungen und erinnerte mich so an seine Gegenwart. »Es wird Zeit, sich auszuziehen«, sagte ich leise.
Zusammen lösten wir Knöpfe und Spangen an unseren Kleidern. Als wir schließlich nackt waren, schauten wir einander nicht an, sondern hüllten uns in die gebleichten, duftenden Leinenlaken und begannen zu reden wie zwei Kinder, die sich aneinander schmiegten.
Unsere Reden waren unbeholfen, wo unsere Leiber es nicht gewesen waren. Ich sehnte mich danach, von all meinen Gefühlen zu sprechen, aber ich fühlte, dass es falsch wäre. Catherine hatte sich erholt und plapperte mit hoher Stimme.
»… und auch der stinkendste unter den Rossknechten in den Stallungen der Herzogin, er nahte sich mir mit einladenden Gebärden. Natürlich fand ich es widerwärtig; er war abstoßend. Wie konnte er sich einbilden, dass ich darauf jemals reagieren würde? Ich erzählte es meiner Tante, der Herzogin …«
Warum besudelte sie unser Beisammensein, unsere erste Vereinigung, mit diesen Geschichten von Männern, die sie begehrt hatten und die sie abgewiesen hatte? Es erboste, es verletzte mich. Dennoch ließ ich sie weiterreden und bemühte mich, auf heitere Weise mit ihr zu plaudern.
Sie kam auf die nichtigsten Themen zu sprechen. Ihre Vettern aus dem Hause Howard; Culpepper und Henry Graf von Surrey; ein Buch, das sie Mary Howard einmal hatte lesen sehen;
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