Ich, Heinrich VIII.
eine Geschichte, die ein heimkehrender Jerusalempilger einmal der Herzogin erzählt hatte.
Das alles war unterhaltsam, witzig und – unpersönlich. Warum zog sie es vor, in dieser geheiligten Nacht von solchen Dingen zu sprechen? War es nur nervöses Geplapper, das Geplapper einer Maid, die das Unbekannte fürchtete? Aber sie machte nicht den Eindruck, als sei sie verängstigt oder erschreckt oder nur im Mindesten erschüttert. Im Gegenteil, sie erschien mir selbstbewusst und besänftigend.
Ich verstand es nicht. Ich fühlte nur eine gewisse Enttäuschung. Nicht die liebevolle Vereinigung war enttäuschend gewesen, aber ihr Benehmen danach. Sie zeigte sich hart und fröhlich, wo ich nichts weiter ersehnte, als sie in meinen Armen zu halten.
Dann brach sie unversehens ihr Plaudern ab, wandte sich zu mir und warf mir die Arme um den Hals. »Jetzt will ich einmal der Bräutigam sein«, murmelte sie, und sie zwang mich auf den Rücken, schob mich zurecht und senkte sich auf mich herab. Als sie mich in sich fühlte, lehnte sie sich zurück, zog, schob, bäumte sich. Ich sah ihren hellen, weißen Körper, schlank und doch mit großen Brüsten, wie er sich im Kerzenlicht vor mir zurückbog. Ihre Lippen teilten sich, ihr Kinn reckte sich vor. Massen von Haar umhüllten sie, fielen bis auf meine Lenden, kitzelten mich. Sie mühte sich, grunzte, schrie. Aber ich fühlte nur wenig. Ich konnte mich nicht verlieren, obwohl ihre Weiblichkeit mich umschloss, mich in sich aufzusaugen schien. Dann fiel sie vornüber, und Schweiß schimmerte auf ihrem Rücken.
»Ah«, murmelte sie, und auf ihren vollen Lippen formte sich ein Speichelbläschen und zerplatzte. Ihre Arme lagen schlaff zu beiden Seiten wie die eines Betrunkenen, der über den Tisch gesunken ist. Wollüstig zog sie das linke Bein an, und unsere Leiber trennten sich. Sie löste sich mit einem mächtigen saugenden Schmatzen und einer Tropfenkette von mir. Die Tropfen landeten auf meinem Bauch: klein, rund, glitzernd und ölig. Ich sah, wie sie sich formten wie kleine Perlen.
Sie stieß einen animalischen Seufzer der Befriedigung aus.
»Es braucht sicher viel, dich stets zu befriedigen«, murmelte ich schließlich. Die Tropfen auf meiner Haut wurden flach und rannen hinunter, und mir war kalt. Draußen war kein Licht mehr. Die kurze Dunkelheit des Sommers hatte endgültig die Herrschaft übernommen.
XCIV
D er Rest dieses ungewöhnlich heißen Sommers sah mich zwischen zwei Polen des Gefühls hin und her fluten. Die eine Hälfte meiner selbst genoss Catherine und schwelgte in ihrer Schönheit und ungehemmten Sinnlichkeit. Sie sagte Dinge, die ich von einer Frau niemals zu hören erwartet hatte. »Gestern Nacht träumte mich von deinem Mannesschwert und wie heiß ich es in mir fühlte, und da konnte ich nicht mehr schlafen, so sehr erregte mich die Erinnerung wie auch die Erwartung.« »Die Art, wie du dich bewegst, ist sündhaft und lässt mich zu den ungeeignetsten Augenblicken auf die peinlichsten Gedanken verfallen. Heute, als der französische Botschafter vor mir stand, konnte ich an nichts anderes denken als daran, wie wir in der Nacht zuvor um Mitternacht zusammen aufgeschrien.« Von jetzt an würde ich Castillon, den französischen Gesandten, selber nicht mehr anschauen können, ohne an Catherines mitternächtliche Ekstasen zu denken.
Andererseits kam es wieder und wieder vor – dass sie nicht reagierte, nichts fühlte, einen feierlichen Augenblick in einen banalen Witz verwandelte. Wenn ich sagte: »Noch nie war es so gut, noch nie in meinem Leben«, erwiderte sie obenhin: »Oh, aber es muss schon gut gewesen sein mit Katharina von Aragon, mit meiner Cousine Boleyn und mit Königin Jane – denn wir haben Prinzessin Maria und Prinzessin Elisabeth und Prinz Edward.« Lächeln. Lachen. Wenn ich ihr beschrieb, wie ich sie liebte, murmelte sie: »Es ist nur fleischlich, Heinrich – reine Fleischeslust. Ich wüsste nicht, wieso wir sonst hätten zusammenfinden sollen.« Kichern. »Hast du dies schon oft getan?« Grinsen. Und immer wieder: »Sag mir, was glaubst du: Was denke ich?« Was tue ich. Was denke ich. Wie sehe ich aus. Sie wurde nicht müde, zu hören, wie sie wirkte. Einmal, als sie mich dabei antraf, wie ich ein Stück für das Spinett komponierte, fragte sie: »Schreibst du ein Lied über unsere Liebe?« Sie nahm an, dass ich es tat – dass sie mein Gegenstand und meine Muse und meine Bestimmung sei. Die Tatsache, dass es tatsächlich so war, barg
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