Ich, Heinrich VIII.
ausgenommen). Aber dass ich Unrecht oder Böses willentlich getan, des sei Gott mein Zeuge, kann die Welt mich rechtens nicht beschuldigen. Ich weine um Gnade, Gnade, Gnade!
Aber er bekam sie nicht. Er wurde hingerichtet, und zwar von einem besonders unfähigen Henker. Der Mann verfehlte sein Ziel immer wieder, sodass mehrere Streiche notwendig waren, um Cromwells Kopf endgültig abzuschlagen.
Recht bunte Gerüchte über Cromwells Sturz machten im Volk die Runde; so munkelte man, er habe große Vorräte an Männern und Waffen angehäuft – fünfzehnhundert Mann in Cromwell’scher Livree –, um entweder die Lady Maria zu heiraten oder sich selbst zum König zu machen. Anderswo hieß es, die Protestanten hätten ihn mit viel Geld bestochen, die eheliche Verbindung mit Kleve in die Wege zu leiten. Dann wieder sagte man, er habe sich damit gebrüstet, dass der Kaiser ihn mit einer Krone für seine »Dienste« belohnen werde. (Dafür, dass er England protestantisch machte?)
Heinrich VIII.:
Eine große Menge seinesgleichen strömte zusammen, um ihn sterben zu sehen. Es ist eine kuriose Tatsache: Sie lechzen mit viel größerem Blutdurst nach der Bestrafung eines Menschen gemeinen Standes wie sie selbst, der zu höherem Range aufgestiegen, als nach der des Adels, auf dessen Territorium er sich in ihren Augen geschlichen hat. Ein solcher Aufstieg beleidigt auf irgendeine niedere Art ihr Empfinden. So jubelten sie lauthals (wie man mir berichtete), als Cromwells Kopf ihm von den Schultern fiel und im Heu landete.
Mich schauderte, als ich die Kanone hörte und wusste, dass es geschehen war. War der Dämon in ihm in diesem Augenblick zugrunde gegangen? Oder suchte er jetzt eine neue Wohnung, würde er umherstreifen, bis er einen bereitwilligen Gastgeber gefunden hätte?
Catherine und ich wurden am selben Tag miteinander vermählt, am Nachmittag. Es war keine Absicht, aber es fügte sich so. War das ein Omen? Ich war bemüht, es nicht zu denken, denn der Zufall hatte die genaue Stunde bestimmt, da unsere Trauung vollzogen werden sollte, aber ich wurde doch den Gedanken an diesen heimatlosen bösen Geist nicht los, der ohne Rast umherzog, da er in Cromwells Körper nicht mehr hausen konnte …
XCIII
W ir wurden Mann und Frau um vier Uhr an jenem langen Sommernachmittag, in Oatlands, einem königlichen Schloss in Weybridge, etwa fünfzehn Meilen von London entfernt. Die Zeremonie fand gänzlich privat statt, im Gegensatz zu jenem prunkvollen Fehltritt mit Anna von Kleve. Da war ich in aller Öffentlichkeit als König mit einer Prinzessin verheiratet worden, die ich nicht liebte; jetzt würde ich im Stillen als Mann mit einer Frau vermählt werden, die ich anbetete. Sollte jemand behaupten, ich sei schon einmal heimlich und schnell mit einer Frau verheiratet worden, die ich »anbetete«, so will ich noch einmal auf die Unterschiede hinweisen. Die Trauung mit Anne Boleyn wurde unrechtmäßig und von einem widerstrebenden Priester vollzogen, ohne dass meine Verwandten zugegen waren, in Furcht und Hast. Meine so genannte frühere Gemahlin weigerte sich, mich als Junggesellen anzuerkennen, und drohte mit furchtbaren Folgen, sollte ich versuchen, mich neu zu vermählen.
Jetzt aber hatte die Kirche von England durch die Konvokation einen ordentlichen Dispens ausgesprochen, und ein Bischof vollzog die Zeremonie. Mein ehemaliges »Ehegespons« sandte seine besten Wünsche, und alle meine Kinder nahmen an jenem heißen Nachmittag an der Trauung im Privatgemach teil. Gut, Lady Maria zeigte sich distanziert, aber das lag daran, dass Catherine ungefähr drei Jahre jünger war als sie. Sie konnte nicht begreifen, dass ich mir eine Frau nehmen konnte, die fast dreißig Jahre jünger war als ich. Dies ist etwas, was ein jungfräulich Weib, das nicht weiß, was sich zwischen einem Manne und einer Frau im Dunkeln begibt, eben nicht versteht, nicht verstehen kann. Eines Tages würde Maria es begreifen – und verzeihen.
Lady Elisabeth indessen freute sich, dabei sein zu dürfen, denn Catherine war ihre Cousine, und das Kind brauchte Freundinnen und Verwandte in einer Welt ohne Freunde. Sie benahm sich, als sei sie endlich wieder in die Wärme einer Familie zurückgekehrt, und schüchtern überreichte sie Catherine ein sorgfältig arrangiertes Bouquet von sommerlichen Wiesenblumen.
Die Fenster standen offen, und der Blick ging hinaus auf die Roggen- und Haferfelder, die golden und faul in der Julisonne lagen. Alles war auf seinem
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