Ich, Heinrich VIII.
»Hab ein Herz. Lass uns in Ehren ruhen.« Doch dann ging ich in das Gemach meiner Königin und erneuerte mein Gelübde, wieder der muskelharte Mann zu werden, der ich einst gewesen war. Immer wenn wir im Kerzenschein unsere Kleider ablegten, entdeckte ich mehr Muskeln und weniger Fett an meinem Körper, und die Freude, die ich dabei empfand, mich neu zu gestalten, wurde nur von der Entrückung übertroffen, die ich in der fleischlichen Liebe zwischen Catherine und mir verspürte.
Mein körperliches und mein fleischliches Ich: Beide wurden auferweckt, wiedergeboren, neu geformt.
Als die Zeit nahte, da die sommerliche Staatsreise enden musste, merkte ich, dass ich kein Verlangen danach hatte, nach London zurückzukehren und in die Angelegenheiten des Reiches einzutauchen, die Jahrbücher der Grafschaften und die Steueraufstellungen durchzulesen. Es harrte zudem die grässliche Aufgabe, Cromwells Akten durchzusehen, und dazu hatte ich nun überhaupt keine Lust. Ich wusste, sie würden ordentlich sein, mühelos zu prüfen. Aber, oh! sie anzurühren, diese Handschrift zu sehen. Es würde sein, als stünde er selbst grinsend an meiner Seite.
Von Tag zu Tag wuchsen meine Kraft und meine Ausdauer, sowohl draußen in der Wildnis als auch unter der Decke bei Catherine. Es war doch erst Oktober. Warum jetzt einfach alles abbrechen? Ich konnte nach London zurückkehren, meinen kleinen Reise-Staatsrat mit der in London verbliebenen Truppe vereinen, zwei Wochen lang drängende Staatsgeschäfte erledigen und dann auf einen langen, geruhsamen Herbst zu Catherine zurückkehren. Dann würden die Weihnachtsfeierlichkeiten beginnen, und danach könnte ich das Leben wieder aufnehmen, wie es normalerweise war.
Oder wie es sein sollte. Im Reich war Ruhe, endlich Ruhe, nach dem aufsässigen Murren, das zu Beginn meiner »Großen Sache« eingesetzt hatte, nach der unverhohlenen Rebellion gegen die Schließung der Klöster, nach all den Komplotten und Gegen-Komplotten und dem verräterischen Treiben, das im Reich sein Unwesen getrieben hatte – in der Maskerade des »Gewissens« (bei More), der Wiederherstellung der »Alten Ordnung« (Kardinal Pole), der Einführung der »Neuen Ordnung« (Cromwell) –, nach Drohungen und Schwertgerassel von außen (durch den Papst und seinen Speichellecker, den Kaiser, bis ihre Marionette Maria sie schließlich enttäuscht hatte, indem sie auf meine Seite übergelaufen war). Oh, das alles war endlich vorüber, und ich war müde, müde. Ich hatte so viele Jahre lang gekämpft. Jetzt lag der goldene Dunst der Sättigung über dem Land, das ich so geplagt hatte, und darin wollte ich schwelgen.
Im November also reiste ich wieder zu Catherine, die sich zu Dunstable aufhielt. Es war ein kleines Landhaus dort, und das war mir nur recht. Ich hatte es jetzt gern behaglich, genoss es, wenn eine gewisse Wärme das Dasein umhüllte; ich wusste zwar, dass ich Nonsuch bald einmal besuchen sollte, aber zurzeit hatte ich den Geschmack an Palästen und übergroßen Dingen verloren. Vielleicht wollte ich einmal als Mensch leben, nachdem ich so lange ein Gott gewesen war.
Ich entschied, dass ich bis Weihnachten, wenn die Rückkehr nach London unvermeidlich wäre, nur eine Hand voll Leute um mich haben wollte. Culpepper natürlich. Will. Paget, Denny und Wyatt. Richard Harpsfield, den Jägermeister, und Edward Bacon, den Stallmeister. Pferde waren das Wichtigste, denn ich gedachte, bis tief in den Dezember hinein zu reiten. Diese Ertüchtigung hatte an meinem Körper bereits Wunder gewirkt. In den drei Monaten hatte ich begonnen, ein neuer Mensch zu werden. Diesen Prozess würde ich nun vollenden.
Nur zwei Wochen war ich von Catherine getrennt gewesen, und sie kam mir verändert vor – rundlicher, rosiger. Sie fühlte sich recht wohl in den Räumen von Dunstable Manor. »Durch die Fenster unseres Gemachs hat man einen Blick auf die Eichen!«, rief sie. »Ich liebe sie. Es sind meine Lieblingsbäume. Die Blätter bleiben den ganzen Winter an den Zweigen, und sie werden braun und rascheln so hübsch, wenn der Wind erwacht.«
Die Strahlen der Novembersonne fielen schräg durch diese Blätter und schienen ihr in die Augen. Ich küsste sie und zog sie an mich.
Bildete ich es mir ein? Oder war sie wirklich dicker geworden?
»Ja«, sagte sie schüchtern.
Ich war von Sinnen vor Freude. »Wann, mein Herz, wann?«
»Im Oktober ist meine Monatsregel ausgeblieben. Es ist also noch früh. Zähle vom Oktober an drei Monate
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