Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich, Heinrich VIII.

Ich, Heinrich VIII.

Titel: Ich, Heinrich VIII. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margaret George
Vom Netzwerk:
Schweigen.« Will schmunzelte. »Mach deine Hose auf, damit alle es sehen.«
    Ich warf den Kopf in den Nacken und lachte. »Solltest du mich im Stich lassen, werde ich darauf zurückgreifen müssen. Aber, Will« – ich hob eine Augenbraue –, »meine Männlichkeit ist in letzter Zeit täglich viele Stunden lang beschäftigt und steht deshalb vielleicht nicht allezeit zur Besichtigung zur Verfügung.«
    Er machte ein angewidertes Gesicht, wollte etwas sagen, wandte sich dann ab. Ein Augenblick verging. Schließlich ergriff er von neuem das Wort. »Die Ketzer sind auch nicht zum Lachen. Fürwahr, sie entfernen sich immer weiter vom Leib des Christentums, bis sie dereinst den Weg zurück überhaupt nicht mehr finden können. Sie nehmen jeden einzelnen Aspekt der heiligen Lehre und erweitern oder ändern ihn auf irgendeine Weise. Da ist dieser Spanier, Servetus, der die Dreifaltigkeit angreift und behauptet, Christus habe keinen Platz darin. Da ist der Holländer Menno Simons mit seinen Anhängern, die die Friedfertigkeit zur Religion erheben. Andere fallen über das Sakrament der Taufe her und erklären, nur ein Erwachsener könne sich dazu entschließen, und deshalb müssten alle wahren Gläubigen noch einmal getauft werden …«
    »Die Anabaptisten«, höhnte ich. »Die Übelsten in der ganzen Bande!« Ich hasste die Anabaptisten, hasste alles an ihnen: Ihre selbstgefällige, feurige Selbstgerechtigkeit, ihre kreischenden Predigten, ihre hysterischen Appelle an die Gefühle der Menschen. Erst einen Monat zuvor hatte ich drei von ihnen zum Tode auf dem Scheiterhaufen in Smithfield verurteilt.
    Will nickte. »Dann gibt es viele, die das Sakrament der Eucharistie angreifen und sagen, es sei nur ein Gedächtnismahl; andere stellen sich gegen das Sakrament der Heiligen Orden und bestehen darauf, dass Priester und Laien gleich seien … reden irgendwelchen Unfug über die ›Priesterschaft aller Gläubigen‹.«
    »Ja. Expriester, die es nach Weibern gelüstet und die Nonnen heiraten. Was – die findest du nicht zum Lachen?«
    »Wenn Menschen im Namen der Religion sündigen, ist das nicht zum Lachen«, antwortete er. »Und es geschieht immer öfter. Das Schlimmste ist, dass man sich bei seinem Publikum eines Mindestmaßes an Zustimmung nicht mehr sicher sein kann. Das ängstigt mich, Hal – und dich sollte es auch ängstigen.«
    Ich starrte in das knisternde Feuer, wie man es tut, wenn man Zeit gewinnen will. Er hatte Recht. Was die Leute, die jetzt zu Weihnachten zum Hofe strömten, und ihr Gefolge anging, so wusste man nichts über ihre religiösen Neigungen. Das hässliche Gift der Häresie hatte den Stoff des englischen Lebens durchtränkt, ließ das Garn verrotten und verfärbte seinen reinen Ton.
    »Das tut es, Will. Das tut es.«
    Er sah mich überrascht an, als habe er nicht mehr damit gerechnet, dass ich ihm noch zuhörte oder ihn verstand.
    »Aber was kann ich tun, außer dem, was ich tue? Ich habe die Häresie nicht erfunden. Ich kann nicht verhindern, dass sie sich auf dem Kontinent vervielfältigt. Hier in England kämpfe ich an zwei Fronten – gegen Rom und gegen die Ketzerei. Ich lege einen Mittelweg fest und versuche, extreme Abweichler zu beiden Seiten zu bestrafen. Aber ich kann nicht allzu tatkräftig vorgehen. Ich will England nicht in ein Land der Angst verwandeln, wie Spanien mit seiner Inquisition. Auch nicht in ein Schlachtfeld wie Deutschland. Sogar mein Staatsrat ist in zwei Lager gespalten, und ich musste Cromwell und More wegen ihrer extremistischen Überzeugungen hinrichten lassen. O Gott – wann werden die Menschen Vernunft annehmen?«
    »Nicht zu unseren Lebzeiten«, sagte Will. »Und für die kommende Generation fürchte ich Schlimmeres.«
    »Jetzt hast du mich so betrübt, dass ich selbst nur noch düstere Gedanken habe. Was wollen wir tun, um unsere Gäste an diesem Weihnachtsfeste zum Lachen zu bringen, Will? Denn wir müssen sie mit etwas Fröhlichem beschäftigen.«
    »Geilheit und Lust, die altbewährten«, sagte er. »Keine Politik. Nur übereifrige Jünglinge, impotente alte Männer, gehörnte Ehegatten, Degen, die beim ersten Stoße sich verbiegen, junge Weiber mit reichen alten Männern …«
    »Aye, aye. Das wird heiter werden. Und wie steht’s mit jungen Männern und reichen alten Weibern?« Ich dachte an Bessie Blount. Arme Frau. Ob Clinton sie wirklich liebte?
    »Aye, der Brauch greift heutzutage um sich, da die Frauen ihre Männer überleben. Wohlgemerkt, wo ein großer

Weitere Kostenlose Bücher